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Stiftungsurkunde der Heiligen Allianz noch die Forde-
rung einer guten, d. h. mit den Vorschriften der christlichen
Religion und dem von den contrahirenden Fürsten ihren Völ-
kern gegenüber für sich in Anspruch genommenen väterlichen
Charakter übereinstimmenden Regierung; ja diese Forderung
wird beinahe ebenso betont wie die ausdrücklich übernommene
Verpflichtung zur strengen Beobachtung christlicher Grundsätze
in den internationalen Beziehungen und zur Darleistung von
Hülfe und Beistand für den Fall der Bedrohung einer Bundes-
macht. Auch hat die Stiftungsurkunde der Heiligen Allianz
damals wirklich die Furcht erregt, als sei sie nichts anderes
als das Programm eines patriarchalischen Despotismus,
welcher seine Beglaubigung in einem göttlichen Mandate der
Herrscher und seine Befestigung in einem von den euro-
päischen Fürsten abgeschlossenen gegenseitigen Schutzbündnisse
suche 1): eine Furcht, welche die spätere politische Thätig-
keit der Hauptmächte des heiligen Bundes nur allzu sehr
gerechtfertigt hat.
Aber dennoch ist der Hauptzweck der Heiligen Allianz
nicht die Verkündigung und Aufrechthaltung einer bestimmten
politischen Theorie 2), sondern die völkerrechtliche Siche-
rung der europäischen Staaten und Throne gegen
jeden Umsturz gewesen, mochte dieser nun von einem Er-
oberer oder von einer innern Revolution auszugehen drohen:
einmal ist die einzige wirklich greifbare Bestimmung des
1) Gervinus, a. a. O., 1, 251, 252. Vgl. auch Rotteck's Artikel
„Heilige Allianz“ in Rotteck und Welcker's Staats-Lexikon, 3. Aufl., Bd. 1,
besonders auf S. 432.
2) Vgl. auch Bernhardi, Geschichte Rüßland's, I, 496, 497.
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