Full text: Das Legitimitätsprincip.

58 
Zeit der Kleinheiten, der mittelmäßigen Menschen“ war ge- 
kommen. 1) Hierzu trat der trotz der gewaltsamen Bestim- 
mungen des Wiener Congresses immer tiefere Wurzeln fassende 
Glauben der Fürsten an ihre Legitimität, welche das über- 
all empfundene Friedensbedürfniß in eine heilige Pflicht der 
europäischen Souveräne, ihre Rechte gegenseitig zu achten, 
umgewandelt hatte; jenseit der in den Wiener Verträgen 
gezogenen Landesgrenze hörte auch die Legitimität des Für- 
sten auf. 
So hätte man annehmen dürfen, die Heilige Allianz habe 
in Verbindung mit einer Reihe thatsächlicher Verhältnisse jede 
Gefahr für den ungestörten Fortbestand der zu Wien errichteten 
Ordnung beseitigt. Allein die allgemeine Ermattung schien 
doch nur die Regierungen unfähig und unwillig zu politischen 
Neuschöpfungen gemacht zu haben; die Völker beugten sich 
der Müdigkeitspolitik ) ihrer Herrscher nicht, und an die 
Stelle der bisher so gefürchteten Eroberung trat ein anderer 
Feind des allgemeinen Friedens, der Europa nicht mehr un- 
bekannt war, ja den die Usurpation und Eroberung erst ge- 
boren hatte: die Erhebung der Völker zur Erringung bestimm- 
ter politischer Institutionen, die Revolution. 
Unter den Anordnungen des Wiener Congresses waren 
viele, welche das historisch begründete Selbstbewußtsein ein- 
zelner Stämme verletzten; so wurde durch die Lösung der 
polnischen Frage, durch die Verbindung Belgiens mit Holland, 
Genuas mit Piemont, Venedigs mit Oesterreich eine Masse 
unheimlichen Gärungsstoffes geschaffen, dessen Explosionen 
1) Stein's Ausspruch über den Wiener Congreß (Häusser, Deutsche 
Geschichte, 3. Aufl., IV, 583). 
:) Karl Mendelssohn-Bartholdy, Friedrich v. Gentz, S. 1.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.