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geben, das Maß von Machtvollkommenheit, welche dem Herr-
scher gelassen werden müsse, das waren die Streitpunkte
der politischen Parteien, seitdem die Idee des Constitutio-
nalismus die continentalen Politiker zu beherrschen anfing.
Die Frage aber, ob durch eine Repräsentativverfassung den
Völkern wirklich Wohlfahrt und Sicherheit zutheil werde,
war von der Theorie schon vor der Napoleonischen Herrschaft
bejahend entschieden; und wenn die von dem französischen
Kaiser und seinen Vasallen gewährten Constitutionen nichts
von allen den erträumten und erhofften Segnungen des Con-
stitutionalismus brachten, so suchte man mit Recht die Ur-
sache nicht in der neuen Verfassungsform, sondern — ab-
gesehen von den aller staatlichen Entwickelung feindlichen Ver-
hältnissen der Napoleonischen Weltdictatur — in der mangel-
haften Durchführung der dieser Form zu Grunde liegenden
Ideen.
Unter dem unmittelbaren Einflusse der constitutionellen
Doctrin waren segar in mehrern Ländern Verfassungen zur
Entstehung gekommen, welche durchgehends an der Hauptlehre
Montesquien's von der Dreitheilung der Staatsgewalt fest-
hielten, im einzelnen freilich den Zusammenhang mit der
englischen Verfassung regelmäßig verloren und sich mehr oder
weniger innig an die französische Verfassungsurkunde des Jah-
res 1791 anlehnten, in welcher ein demokratischer Republika-
nismus sich nur dürftig hinter der Maske des constitutionellen
Königthums verbarg.
So war in Sicilien unter dem Einflusse eines kühnen
englischen Staatsmannes, Lord Bentinck 1), eine Verfassung 2)
1) Reuchlin, Geschichte Italiens, I, 146, 147.
2) Pölitz, Europäische Verfassungen, II, 437 fg.