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vereinbart worden, die alle die verschiedenen Einflüsse wider-
spiegelt, welche damals die landläufige constitutionelle Doctrin,
die Lehren der Französischen Revolution und die wirkliche
Kenntniß der englischen Verfassung auszuüben vermochten: da
gab es erbliche und geistliche Pairs, ein Unterhaus, das Ver-
sprechen einer der englischen nachgebildeten Jury und Habeas-
Corpus-Acte, sowie Bestimmungen über die Wahl der Ge-
meinen, welche durchaus den einschlagenden Sätzen des eng-
lischen Staatsrechts entsprachen; daneben aber wird die unter-
schiedslese Gleichheit aller Bürger verkündigt, die Aufhebung
der Fideicommisse ausgesprochen und die Staatsgewalt in dreie
Gewalten zerrissen, deren jede einem besondern von den beiden
andern unabhängigen Factor zugewiesen wird. Hatte hier ein
von der Lehre eines abstracten Constitutionalismus und den
Grundsätzen der heimatlichen Verfassung ebenso wie von der
Nothwendigkeit einer Anlehnung an die vorhandenen staatlichen
Zustände durchdrungener Politiker jedem dieser Standpunkte
gerecht werden wollen und infolge dessen eine Verfassung
veranlaßt, die alle Farben ihres Zeitalters, aber nur an
wenigen Stellen die abgeblaßte Farbe ihres Landes trug,
eine noch seltsamere Mischung der verschiedenartigsten Sätze
stellte die so berühmt gewordene spanische Cortesver-
fassung (vom 19. März 1812) dar 1): halb unbewußt hat
ein politisch unreifes Volk in ihr den geradezu widersinnigen
Versuch verewigt, eine moderne Doctrin mit einer langjährigen
Geschichte, die Freiheit mit dem Glaubenszwange, die Volks-
souveränetät mit dem Königthum zu versöhnen.:) So hatte
schließlich auch ein abgelegenes, freiheitsliebendes Volk, die
1) Pölitz, Europäische Verfassungen, II, 263.
*„) Vgl. H. Baumgarten, Geschichte Spaniens, I, 522 fg., 530 fg.
Brockhaus, Legitimitätsprincip. 5