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constitutionellen Doctrin waren, der constitutionellen Be-
wegung, welche nach dem Wiener Congresse ihren Gang über
Europa nahm, ein durchaus gesunder Gedanke, ein un-
abweisbares, von den Wiener Congreßmächten sogar aner-
kanntes Bedürfniß zu Grunde lag. Zwar griff die constitu-
tionelle Lehre manches zweifellos dem Monarchen rechtlich
und begriffsmäßig zustehende Recht an; aber man mußte sich
dabei doch immer erinnern, daß alle diese Lehrsätze, welche in
einer geradezu peinlichen Monotonie von einem Ende des
Continents zum andern klangen, nur die theoretische Formu-
lirung viel bescheidenerer Wünsche, daß sie nur der Ausdruck
eines seit der Französischen Revolution zur Herrschaft gelangten
Doctrinarismus waren, welcher die Neuerzeugung des Staats
aus dem Willen des souveränen Volks heraus der gesetzlichen
Abhülfe drückender Verhältnisse vorzog und regelmäßig durch
seine Zuvielforderung die Befriedigung wirklicher Volkswünsche
vereitelte.
Die große Masse der Anhänger des Constitutionalismus
war für diesen nicht durch die Lehre von der Volkssouverä-
netät und der Gewaltentheilung als der beiden angeblichen
Grundlagen jeder wirklichen Repräsentativverfassung, sondern
durch die Verheißung einer geordneten, in rechtlichen Formen
zu Tage tretenden und durch das Volk überwachten Regierung
gewonnen worden. Die ungeheuere Mehrzahl verlangte nur
eine Abänderung der bisherigen Herrschaftsweise in den
monarchischen Staaten, eine Beschränkung der fürstlichen Ge-
walt, keine Aufhebung derselben. Ueberall wo sich Be-
strebungen zeigten, das Königthum als solches oder die Herr-
schaft einer bestimmten Dynastie zu zerstören, war der hart-
näckige, häufig in perfidester Weise geleistete Widerstand gegen
die bei der unsinnigen Restauration vieler Fürsten geradezu