9 Geschichtlicher Überblick.
und der Rat hatte dann mehr als ein Jahrhundert lang Ge-
legenheit, seine neu gesicherte Stellung dem Ausbau der Hanse
und der Festigung des lübeckischen Ansehens dienstbar zu
machen.
Erst die Ausbreitung der Reformation, der der Rat sich
anfangs heftig wiedersetzte, brachte ihm neue Schwierigkeiten
auf dem Gebiete der Verfassung. Freilich endigten auch sie
schließlich mit der Wiederherstellung der Rechte des Rates,
vorübergehend aber hatte er nicht nur bei der Einführung
neuer Abgaben eine Kontrolle des Einganges und der Ver-
wendung der Gelder durch einen Ausschuß der Bürgerschaft
zugestehen, sondern sich auch eine Beschränkung seines Selbst-
ergänzungsrechtes gefallen lassen müssen. Auch konnte der
wiederhergestellte alte Zustand nicht dauernd aufrechterhalten
werden. Die Bürgerschaft, die damals in zwölf Korporationen
zerfiel — die Zirkelgesellschaft, die Kaufleutekompanie, die
Kompanien der Schonenfahrer, der Nowgorodfahrer, der Bergen-
fahrer, der Rigafahrer, der Stockholmfahrer, der Gewand-
schneider und der Krämer, die Brauerzunft, die Schiffergesell-
schaft und die Ämter der Handwerker —, nahm das Verlangen
einer Beteiligung zunächst an der Verwaltung bald wieder auf.
Nachdem sie schon 1602 die Teilnahme an der Verwaltung
des Heiligen Geist- und des St. Jürgen-Hospitals erreicht hatte,
wurde ihr auf ihren Wunsch vom Rate eine Mitwirkung bei
der Verwendung der Mehreinnahmen zugestanden, die zu An-
fang des 17. Jahrhunderts von der Bürgerschaft für die Ver-
tiefung und Offenhaltung der Trave und eine bessere Befesti-
gung der Stadt durch Gewährung einer „Zulage“ zum Zoll
sowie einer Erhöhung der Mühlenabgabe und der Akzise be-
willigt waren. Es wurde für diesen Zweck eine besondere
sogenannte „Zulagsbehörde“ aus sechs Mitgliedern des Rates
und zwölf auf Vorschlag der zwölf Kollegien vom Rate ge-
wählten Bürgern gebildet, deren Tätigkeit sich aber bald nicht
auf die ihr ursprünglich zugewiesene Aufgabe beschränkte,
deren sich der Rat vielmehr auch bei Verhandlungen mit der
Bürgerschaft über andere Gegenstände als Vermittlerin be-
diente. Einen weiteren wichtigen Schritt in der Richtung der
Beteiligung an der Verwaltung tat die Bürgerschaft durch den
sogenannten Kassarezeß von 1665, durch den eine allgemeine