Geschichtlicher Überblick. 3
Stadtkasse und zu ihrer Verwaltung eine aus zwei Mitgliedern
des Rates und vierundzwanzig auf Vorschlag der Kollegien
von ihm gewählten Bürgern bestehende Behörde eingerichtet
wurde. Weiter noch als dieser Rezeß ging ein 1669 zur Be-
seitigung neu entstandener Streitigkeiten unter Mitwirkung
der von beiden Parteien angerufenen kaiserlichen Autorität
zustande gekommener, der fast zwei Jahrhunderte lang der
Verfassung und Verwaltung als Grundlage gedient hat. Als
wichtige Neuerung brachte er eine wesentliche Einschränkung
des Selbstergänzungsrechtes des Rates, der künftig aus vier
Bürgermeistern (drei Rechtsgelehrten und einem Kaufmann)
und nur sechzehn Senatoren bestehen sollte. Von den letzteren
mußten zwei Rechtsgelehrte sein, je drei der Zirkelgesellschaft
und der Kaufleutekompanie und acht den übrigen kauf-
männischen Kollegien angehören. Während Rechtspflege und
Polizei dem Rate verblieben, erhielt die Bürgerschaft, ge-
gliedert in die zwölf Kollegien mit dem Ältermann der Schonen-
fahrer als Ältermann der Bürgerschaft an der Spitze, eine
allgemeine Mitwirkung bei der Gesetzgebung*). Was die Ver-
waltung anbelangt, so wurde in bezug auf deren wichtigere
Zweige, sofern sie nicht wie Rechtspflege und Polizei allein
dem Rate verblieben, das bereits früher in einzelnen Fällen
eingeschlagene Verfahren, Behörden aus Senatoren und Bürgern
zu bilden, weiter ausgebaut.
Die Geltung der so festgestellten Verfassung wurde durch die
französische Fremdherrschaft nur unterbrochen, nicht dauernd
aufgehoben. Allgemein herrschte der Wunsch, möglichst bald
die gewohnte Ordnung der Dinge wiederhergestellt zu sehen,
und so wurde 1813 die alte Verfassung unverändert wieder
eingeführt. Auf die Dauer freilich vermochte sie den An-
forderungen und Bedürfnissen wesentlich veränderter Zeit-
verhältnisse nicht zu genügen. Ein schon 1814 vom Senate
unternommener Versuch einer Umgestaltung der Verfassung
führte allerdings nur zu langen ergebnislosen Verhandlungen
(bis 1824) und scheiterte an dem Widerstand der Kollegien,
die nicht zugunsten einer aus Wahlen der einzelnen Berufs-
*), Näheres siehe bei Bruns, Verfassungsgeschichte des
lübeckischen Freistaates 1848—1898, S. 3—-8.
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