Full text: Staats- und Verwaltungsrecht der freien und Hansestadt Lübeck.

Die Funktionen des Staates. 37 
einer stillschweigenden Delegation*). Zulässig ist eine Dele- 
gation auch auf andere Behörden **). 
Die auf Grund des Art. 50 III der Verfassung ergehenden 
Erlasse des Senates bezeichnen sich meist als Verordnungen 
oder Bekanntmachungen, das Wort „Verordnung“ wird aber 
vielfach auch gleichbedeutend mit „Gesetz“ gebraucht. Ver- 
öffentlicht werden sie ebenso wie die Gesetze nach der oben 
S. 83 erwähnten Bekanntmachung der Senatskanzlei vom 
15. September 1899 im „Gesetz- und Verordnungsblatt der 
freien und Hansestadt Lübeck“. 
Bestimmungen über die Pflicht oder das Recht des 
Richters, die Gültigkeit von Gesetzen oder Verordnungen zu 
prüfen, fehlen. Anzunehmen ist, daß der Richter bei Gesetzen 
zu prüfen hat, ob sie verfassungsmäßig d. h. unter Mitwirkung 
von Senat und Bürgerschaft zustande gekommen und gehörig 
publiziert sind. Für die erste Frage genügt die Publi- 
kation durch den Senat unter Berufung auf das erzielte Ein- 
verständnis der Bürgerschaft***); nicht zu prüfen hat der 
Richter, ob die nach besonderen gesetzlichen Bestimmungen 
zu beobachtenden Vorschriften z. B. über die vorherige An- 
hörung der Handelskammer, beachtet sind. Die Frage, ob 
ein gehörig beschlossenes Gesetz in Widerspruch mit Be- 
stimmungen der Verfassung steht, hat für Lübeck keine prak- 
tische Bedeutung, da Änderungen der Verfassung keiner er- 
schwerenden Form unterliegen, Stets zu prüfen ist, ob die 
Landesgesetzgebung nicht in Widerspruch mit dem Reichs- 
*, Vgl. über die Anerkennung einer solchen die Entsch. 
d. Hans. O.L.G. in der Hanseatischen Gerichtszeitung 1895, 
Beiblatt Nr. 104, S. 228. 
**) Über das Verordnungsrecht des Senates auf Grund 
seiner oberbischöflichen Rechte über die evangelisch-lutherische 
Kirche und seines Oberaufsichtsrechtes über andere Religions- 
gesellschaften siehe oben S. 17 und unten S. 139 und 136. 
***) Vgl. Entschd. d. Ob.Appell. Lübeck vom 6. April 
1869 in Seufi. Arch. Bd. 26 Nr. 99 (lüb. Sache), insbesondere auch 
über das Verhältnis der richterlichen Prüfungspflicht zu den 
verfassungsrechtlichen Vorschriften über die Entscheidung 
von Streitiskeiten zwischen Senat und Bürgerschaft über die 
Auslegung der Verfassung.
	        
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