Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

DIE HYDRA 73 
seinen Schrullen doch von heiligem Eifer für die Sache, das heißt für die 
ihm so teure Flotte, deren Ehre und Ruhm erfüllt war. Es ging nicht mehr, 
als Herr von Valentini dem Zivilkabinett, Admiral Müller dem Marine- 
kabinett und General von Lyncker, ein untadliger Ehrenmann, aber klein- 
lich und engherzig, dem Militärkabinett vorstand. Die Kabinettswirtschaft 
während des Weltkrieges hat zweifellos das ihrige zu unserer Niederlage 
beigetragen. Wenn Großadmiral von Tirpitz in seinen Briefen an seine 
Frau sie als eine „Hydra“ bezeichnet und die drei Kabinettschefs als die drei 
Köpfe dieser neuen lernäischen Schlange, wenn er gegen die „feste Stuck- 
mauer um den Kaiser herum“, gegen „die verfluchte Bande in Pleß“ 
wettert, wenn er von „einer Kabinettsregierung wie vor Jena“ spricht und 
ausruft, der Hydra müsse zu Leibe gegangen werden, die Kabinettschefs 
gehörten an den Laternenpfahl, so ist dieser Wutschrei des Erbauers der 
Flotte nach allem, was er selbst unter den Quertreibereien des Admirals 
von Müller gelitten hatte, wie nach den Beobachtungen und Wahrneh- 
mungen, die er aus nächster Nähe über den traurigen Herrn von Valentini 
anstellen konnte, menschlich wohl begreiflich. Facit indignatio versum. 
Wenn die Kabinette, die große und wichtige Interessenkreise des 
staatlichen Lebens wie in einem Brennpunkt zusammenfaßten, mir da und 
dort Sorge bereiten konnten und zum Teil auch bereitet haben, so stand ich 
der höfischen Welt, die den Kaiser umgab, mit voller Unbefangenheit 
gegenüber. Gewiß war weder der Einfluß der Maison militaire noch jener 
der eigentlichen Hofleute zu unterschätzen. Mit den Militärs, die sich in 
Politik kaum einmischten und von Wilhelm II. gelegentlich auch in ihre 
Schranken zurückgewiesen wurden, wenn sie an dies Gebiet rührten, und 
die zudem nach ihrer ganzen soldatischen Erziehung und ihrer Extraktion 
Leute von fest umgrenzten Ehrbegriffen waren, auszukommen, schien mir 
nicht schwierig. Was die Hofchargen anlangt, so wußte ich hier zu gut Be- 
scheid, als daß ich von dieser Seite ernstliche Schwierigkeiten befürchtet 
hätte. Die ängstliche Furcht vor dem „großen Hof“, in der mein armer 
Nachfolger gelebt hat, lag mir fern. „Ayant vecu dansles£rail, j’en connais- 
sais les detours.“ Mir konnte dies Milieu nicht imponieren. Überdies besaß 
ich in der unmittelbaren Umgebung der Majestäten in dem Kabinettsrat 
der Kaiserin, meinem alten Kriegskameraden Bodo Knesebeck, einen un- 
bedingt zuverlässigen Freund. Vor allem aber lag in der Persönlichkeit des 
Ober-Hof- und Hausmarschalls, des Grafen August Eulenburg, die Gewähr 
dafür, daß sich der Hof innerhalb der Schranken seiner Wirkungssphäre 
hielt. 
Er war ein würdiger Sproß jenes ostpreußischen Adels, der dem preu- 
ßischen Staat seit Jahrhunderten viele ausgezeichnete Männer in Krieg August 
und Frieden gestellt hat. Als 1813 die Provinz Ostpreußen sich gegen die Eulenburg
	        
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