148 WILHELM II. UND SEINE MUTTER
antiamerikanischen Sinne äußere. Die Königin-Regentin von Spanien,
übrigens eine vortreffliche Frau und tüchtige Regentin, war die Tochter
des Erzherzogs Karl Ferdinand von Österreich, eine Nichte des Erzherzogs
Albrecht, des Siegers von Custozza, und eine Schwester der Erzherzöge
Karl Stefan und Eugen, die von allen österreichischen Erzherzögen dem
Deutschen Kaiser die sympathischsten waren.
Während des türkisch-griechischen Zusammenstoßes, der sich vor meiner
Übernahme der auswärtigen Geschäfte abgespielt hatte, stand der Kaiser
völlig auf der Seite des Halbmonds. Auch hier waren persönliche Stim-
mungen für ihn entscheidend, die bei seinem Naturell nun einmal meist
die Oberhand gewannen. Ich habe kaum eine beweglichere, sensiblere
Natur gekannt als die Wilhelms II., der, da er sich jedem Eindruck hingab,
imstande war, an einem Tag zwei- bis dreimal seine Ansichten zu wechseln.
Aber auf der anderen Seite ist mir kaum jemand vorgekommen, dessen
Wesen in seinen Grundzügen so konstant war. In den Grundlinien seines
Charakters dürfte, wie ich meine, Wilhelm II. in Haus Doorn heute unge-
führ derselbe sein, der er war, als er 1897 nach der schweren Niederlage der
von dem Kronprinzen Konstantin von Griechenland geführten Hellenen
in Thessalien ein Telegramm an seine mit Passion griechisch gesinnte
Mutter richtete, damit sie die „Blamage“ ihres Schwiegersohnes und seiner
Hopliten baldmöglichst erführe. Es haben sich in Wilhelm II. so viele
getäuscht, und es ist selbst das scharfblickende Auge des Fürsten Bismarck
in sein Wesen nicht ganz eingedrungen, weil meist nicht erkannt wurde,
daß er nur nach persönlichen Stimmungen handelte. Er war 1897 anti-
griechisch, weil er damit seine Frau Mutter ärgern wollte, die er im Grunde
für ihren Geist, für ihre Bildung und auch für die Hartnäckigkeit in ihrem
Charakter bewunderte, die er sogar in gewissen Momenten liebte, jedenfalls
weit mehr liebte als sie ihn, zu der er sich jedoch in stetem Gegensatz
befand.
Viele haben nie die jähe und in ihrer unbesonnenen und unvernünftigen
Durchführung für das Land und für ihn selbst so verderbliche Schwenkung
begriffen, die Wilhelm II. nicht lange nach seinem Regierungsantritt gegen-
über dem großen Kanzler seines Großvaters vornahm, den er noch während
der neunundneunzig Tage als den Fahnenträger des Reichs in dithyram-
bischen Wendungen gefeiert hatte, um ihn bald nachher als unbotmäßigen
Rebellen zu behandeln, zu schmähen und zu bedrohen. Die Quelle seiner
Begeisterung für Bismarck während seiner Prinzenzeit war weniger eigene
Einsicht gewesen als der Wunsch, sich dadurch in Gegensatz zu seinen
Eltern und namentlich zu seiner Mutter zu stellen. Er wußte, daß er sie
damit ärgern würde. Sobald Wilhelm II. auf dem Thron saß, wurde ihm
Bismarck als Mentor oder, wie er sich im Gespräch mit seinem Intimus