Audienz bei
Franz Josef
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Grafen Franz Philipp von Lamberg ermordet hatte, dieselbe Brücke,
von der während der terroristischen Periode von 1919 unter Bela Khun
und Samuely die ungarischen Bolschewisten zahlreiche Unschuldige in die
Donau gestürzt haben. Als dann die Reaktion einsetzte, die auf revolutio-
näre Exzesse zu folgen pflegt, wurden wiederum nicht wenige Unglückliche,
namentlich Juden, ermordet und ihre Leichen in den Fluß geworfen.
Am Tage nach meiner Ankunft wurde ich von Kaiser Franz Josef in
fast zweistündiger Audienz empfangen. Der hohe Herr war mir damals
sehr wohlgesinnt. Er wußte, daß ich als Botschafter in Rom gute Bezie-
hungen zu seinen Vertretern, dem Freiherrn von Bruck und dem Baron
Pasetti, unterhalten hatte. Er wußte insbesondere, daß ich während meiner
Amtszeit in Bukarest in engen amtlichen und persönlichen Beziehungen
zu meinem österreichisch-ungarischen Kollegen, dem inzwischen zum
K. und K. Minister des Äußeren aufgerückten Grafen Agenor Goluchowski,
gestanden und mich Österreich dort nützlich gemacht hatte. Die Öster-
reicher waren zwar nicht unbedingt zufrieden, daß ich in Bukarest einen
für Deutschland günstigen Handelsvertrag mit Rumänien erreicht hatte,
den die österreichisch-ungarische Konkurrenz als einen Eingriff in ihre
frühere Monopolstellung ansah. Aber politisch bedeutsamer und wichtiger
war für die habsburgische Monarchie und insbesondere für den greisen
Kaiser Franz Josef, daß ich Rumänien entschieden und, wie bei richtiger
Leitung unserer Politik anzunehmen war, dauernd in das Fahrwasser der
Zentralmächte gebracht hatte.
Diese Erinnerungen sicherten mir 1897 beim Kaiser Franz Josef einen
gnädigen Empfang. Sein Wohlwollen sollte mir während meiner ganzen
Ministertätigkeit treubleiben. Insbesondere hat der Kaiser mir wiederholt
seine uneingeschränkte Zufriedenheit für die Art und Weise aussprechen
lassen, wie ich die bosnische Krisis von 1908-09 entwirrte. Er sagte nicht
lange vor meinem Rücktritt zu dem österreichisch-ungarischen Botschafter
in Berlin, dem Grafen Szögyenyi: „Diese Angelegenheit hat der Bilof
(Kaiser Franz Josef sprach meinen Namen nach Wiener Art aus) ausge-
zeichnet geführt. Er hat einerseits unsere berechtigten, auf Verträgen und
Abmachungen seit vielen Jahren gegründeten Rechte auf Bosnien und die
Herzegowina siegreich durchgefochten. Aber er hat es dabei doch nicht
zum Kriege kommen lassen. Das muß ich ungemein loben, denn ich alter
Mann will keinen Krieg mehr führen.“ Gleichzeitig hatte mir der alte Herr
seinen höchsten Orden, den Stefansorden in Brillanten, mit einem huld-
vollen Telegramm übersandt. Ich besitze auch eine Photographie des
hohen Herrn in der Uniform seines preußischen Regiments, des Kaiser-Franz-
Garde-G dier-Regiments Nr.2, mit eigenhändiger Unterschrift und
in prächtigem Goldrahmen, sowie sein lebensgroßes Ölbild, das, von einem