Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Die Er- 
werbung von 
Kiautschou 
210 NEUJAHRSFREUDE: KIAUTSCHOU 
deutsch-chinesischen Pachtvertrages über die Bucht von Kiautschou. Ich 
meldete den Abschluß des Vertrages dem Kaiser in einem kurzen Tele- 
gramm, in dem ich meiner Freude darüber Ausdruck gab, daß unsere im 
November eingeleitete Aktion mit Gottes Hilfe zu einem guten Abschluß 
gelangt sei. Der Kaiser war um so glücklicher, als er auf ein aus eigener 
Initiative kurz vorher an den Kaiser Nikolaus abgesandtes Telegramm eine 
frostige Antwort erhalten und die Sache schon halb verlorengegeben hatte. 
Er hatte mir daraufhin mit einiger Ungeduld telegraphiert, der Kanzler 
Hohenlohe glaube, die Besetzung von Kiautschou laufe der Peterhofer 
Abmachung zuwider. Es sei „tief beschämend‘“ und „erniedrigend‘“, daß 
wir in St. Petersburg „quasi Erlaubnis“ einholen müßten, wo wir vor drei 
Jahren die Gelegenheit versäumt hätten, Kiautschou zu besetzen. Die 
Antwort des Zaren lautete „kühl und reserviert“. Nun telegraphierte mir 
Kaiser Wilhelm: „Mein lieber Bernhard, welche Neujahrsfreude! Ich bin 
ganz beside myself vor Glück! Sie haben sehr recht, wenn Sie bemerken, 
wie groß die Hilfe und die Gnade des Herm für uns gewesen ist, ohne sie 
wäre es nicht gelungen. Aber weil es um des Kreuzes willen geschah, darum 
war Er mit uns. Innigsten Dank für Ihre treue aufopfernde Arbeit, welch 
ein herrlicher erster Erfolg für Sie! A good innings! Im übrigen: In hoc 
signo vinces!“ So telegraphierte mir Wilhelm II., als die von ihm lebhaft 
gewünschte, nicht ungefährliche und immerhin heikle Besitzergreifung von 
Kiautschou gelungen war. Noch an demselben Tage beehrte er mich mit 
seinem Besuch und überreichte mir persönlich den Roten Adlerorden 
I. Klasse mit den Worten: „Das soll nur ein Anfang sein, es kommt noch 
besser.“ 
Neun Jahre später, am 11. Januar 1906, bemerkte der Kaiser ad mar- 
ginem eines belanglosen Artikels eines Pariser Blatts, in dem die Erwerbung 
von Kiautschou auf die gemeinsame Arbeit der deutschen politischen Lei- 
tung mit dem Reichsmarineamt zurückgeführt wurde: „Hohenlohe war 
derjenige, der scharf und schneidig in der Kiautschou-Sache allein mich 
förderte und warm unterstützte, während das Auswärtige Amt die Hosen 
— — und Tirpitz mißvergnügt grollend abseits stand.Hohenlohe, Hollmann 
und ich! Wir haben in vollster Übereinstimmung und Einigkeit gehandelt, 
und wir beide waren verwundert über die kalte Entschlossenheit und den 
Wagemut des alten Herrn. Ihm verdankt Deutschland Kiautschou.“ Ich 
unterdrücke aus Achtung für meinen Leser und insbesondere für meine 
Leserin zwei allzu derbe Worte in dem Allerhöchsten Randvermerk. Als 
mir dieses Marginal vorgelegt wurde, das durch alle Büros gegangen war, 
stellte ich den Kaiser ernst und sehr nachdrücklich zur Rede. Mit einer 
Schärfe, auch in der Form, die ich weder vorher noch nachher ihm 
gegenüber anzuwenden brauchte, erinnerte ich ihn daran, daß die ganze
	        
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