Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

KAISERLICHE REDNEREI 301 
dem Einfluß der Mutter zu stehen schien. Der Kaiser veranstaltete zu 
Ehren der niederländischen Gäste im Neuen Palais eine allegorische Vor- 
stellung, die in gut gestellten Bildern und nicht üblen Versen die innigen 
Bande zwischen den Häusern Hohenzollern und Oranien und die stolze 
Vergangenheit des Hauses Oranien zum Ausdruck brachte. Bei dem nach- 
folgenden Souper saß ich mit dem Kaiser und den beiden Königinnen 
ä quatre an einem Tisch. Der Kaiser führte die Unterhaltung und sprach 
sich über den Burenkricg, der in vollem Gang war, in so antienglischem 
Sinne aus, in so hitzig übertriebener Rederei, daß die Königin-Mutter 
mir nach der Mahlzeit sagte, sie stünde mit ihren Sympathien begreiflicher- 
weise auf der Seite der ihrem Volke stammverwandten Buren, frage sich 
aber doch, ob die mit solcher Heftigkeit zur Schau getragene antienglische 
Haltung des Kaisers nicht unvorsichtig wäre. Hätte Königin Emma geahnt, 
mit welchem Enthusiasmus derselbe Kaiser kaum sechs Wochen später im 
englischen Fahrwasser schwimmen würde, hätte sie sich schwerlich solche 
Sorgen gemacht. 
Am 8. November 1899 traf das Zarenpaar in Begleitung des Ministers 
Murawiew auf der Rückfahrt von Darmstadt nach St. Petersburg zu einem 
kurzen Besuch in Potsdam ein. Kaiser Nikolaus beehrte mich nach der 
Abendtafel mit einer langen Unterredung. Er beglückwünschte mich zu- 
nächst zu dem Samoa-Abkommen. Was wir erreicht hätten, wäre um so 
anerkennenswerter, als die Engländer einerseits tres durs a la detente 
wären, während wir andererseits zur See England gegenüber keine Pres- 
sionsmittel hätten. Er freue sich also doppelt, mir als altem Bekannten, der 
in St. Petersburg viele Freunde hätte, herzlich gratulieren zu können. Der 
Zar kam sodann auf unsere Flottenvorlage, die er durchaus billigte. Wir 
möchten uns zur See nur recht stark machen. Solange die englische Flotte 
den Flotten aller übrigen Länder so sehr überlegen wäre wie gegenwärtig, 
sei es schwer, England entgegenzutreten. Je stärker die kontinentalen 
Staaten zu Wasser würden, um so besser für sie alle und den Weltfrieden. 
Der Zar sprach mit Sympathie von den Buren, betonte aber ausdrücklich, 
daß sich Rußland durch die Vorgänge in Südafrika nicht aus seiner Reserve 
herauslocken lassen würde. Die Vorgänge in Afrika lägen Rußland ganz 
fern und ließen es gleichgültig. Rußland wolle vor allem den Frieden, um 
sich im Frieden zu konsolidieren und sein wirtschaftliches und kulturelles 
Niveau zu heben. Rußland wünsche auch keinen Konflikt zwischen Frank- 
reich und England. Wenn Rußland gewollt hätte, würde es vielleicht vor 
einem Jahr zwischen Frankreich und England wegen Faschoda zum Krieg 
gekommen sein, obwohl die Franzosen jetzt in ihrer großen Mehrheit ein- 
sähen, daß Faschoda keinen Wert hätte, und Herr Delcass€ es nicht ein- 
mal geschenkt haben wolle. Jedenfalls aber wünsche Rußland keinen 
Besuch von 
Zar und 
Zarin
	        
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