Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

KEIN PAPAGENOSCHLOSS 455 
daß der Prinz bei aller zweifellosen Treue und Loyalität nicht seiner lieben 
Frau solche Äußerungen wiedererzählen könnte. Der Kaiser entgegnete, 
das sei mehr als wahrscheinlich. Ich fuhr fort: „Ich habe die größte Ver- 
ehrung für die als Gattin, Mutter und Frau gleich ausgezeichnete Prin- 
zessin Heinrich. Aber ist es völlig ausgeschlossen, daß die gute Prinzeß, 
was sie von ihrem Mann hört, gelegentlich ihren beiden Schwestern in 
Rußland, der Kaiserin Alexandra Feodorowna und der Großfürstin Elisa- 
beth Feodorowna, oder ihrer ältesten, ganz englisch und sehr wenig 
deutschfreundlich eingestellten Schwester in London, der Prinzessin 
Viktoria Battenberg, anvertraut?“ Auch das erklärte der Kaiser für so gut 
wie sicher. „Nun sehen Sie‘, fuhr ich fort, „Sie geben sich solche Mühe um 
den Zaren, Sie tun fast zu viel mit Deputationen, Geschenken, Briefen, 
Besuchen, Aufmerksamkeiten aller Art. Und eine einzige Äußerung, wie 
wir sie eben hörten, kann alle Ihre Bemühungen zu Wasser machen.“ In 
seiner blitzschnellen Art und mit der ihm eigenen Dialektik entgegnete der 
Kaiser: „Ich bin auch der einzige Mensch auf Gottes weiter Erde, der sich 
nie gehenlassen kann, nicht einmal vor Meinem Bruder! Sie können vor 
Ihren Brüdern sagen, was Sie wollen. Sie können auf Gott und auf die Welt 
schimpfen, Mich einen Narren und alle Minister Trottel nennen, ohne eine 
Indiskretion zu befürchten oder Unannehmlichkeiten für sich. Nur Ich soll 
immer mit einem Papagenoschloß vor dem Mund herumlaufen, sogar in 
Gesellschaft Meines einzigen Bruders.“ Ich mußte Seiner Majestät ant- 
worten, daß ich nicht Kaiser wäre und daß die höchste Würde die schwerste 
Bürde mit sich fübre. Aber ich sagte mir innerlich, daß als Mensch Wil- 
helm II. in seiner natürlichen Art, wenn er sich ungezwungen gab, einen 
großen Zauber ausübe. Der von Philipp Eulenburg in seinem Briefe vom 
5. Juli 1900 genannte Fürst von Monako war durch Erziehung und Sym- 
pathien ganz Franzose. Er war mit den meisten leitenden französischen 
Politikern persönlich befreundet. Als der Weltkrieg ausbrach, stellte er sich 
sogleich und laut auf die französische Seite und hielt Reden, in denen er 
seinen langjährigen Gönner Wilhelm II. in pöbelhafter Weise beschimpfte. 
In jenem Brief des Fürsten Eulenburg vom 5. Juli 1900 hatte es weiter 
geheißen: „Ich bin kontinuierlich in Angst, daß irgend gefährliche direkte 
Depeschen an den Zaren abgehen. Die heutige gab mir Seine Majestät zu 
lesen, nachdem er sie bei Tisch aufgeschrieben hatte. Diese war nicht be- 
denklich, der Vorschlag bezüglich der Kontrolle der Schiffe in bezug auf 
Waffeneinfuhr nach China in ruhiger Form gehalten.“ Hinsichtlich seiner 
Korrespondenz mit fremden Souveränen hatte mir der Kaiser wiederholt 
motu proprio gesagt, daß er mir alle solche Briefe vorher zeigen wolle. 
Es war dies auch seine ehrliche Absicht. Es kam aber doch häufig vor, daß 
er, wenn wir nicht an demselben Ort weilten, weil er eine Rückfrage scheute
	        
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