Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

DER ZWÖLFTAUSEND-MARK-SKANDAL VOR DEM REICHSTAG 469 
schen Fraktion. Sohn einer armen Pfälzer Magd, hatte er durch angeborene 
Begabung, aber auch durch unermüdlichen Fleiß sich eine tüchtige Bildung 
erworben und war fortdauernd bemüht, die Lücken seines Wissens zu er- 
gänzen. Der Vertreter der „Kölnischen Zeitung“ in Berlin, Herr von Huhn, 
erzählte mir gelegentlich, daß er bei einem gemeinsamen Mittagessen dem 
Abgeordneten Aucr sein Erstaunen über dessen Vertrautheit nicht nur mit 
unserer Gesetzgebung, sondern auch mit unserer gesamten inneren Politik 
ausgesprochen habe. Mit einem wehmütigen Lächeln habe ihm Aucr, halb 
im Scherz und halb im Ernst, erwidert: „Ich würde all mein Wissen darum 
geben, wenn ich genau wüßte, ob man Fisch und Spargel nur mit der Gabel 
oder auch mit dem Messer essen kann.“ Ich habe auf Männer wie Auer 
immer nur mit Sympathie geblickt, mit großer Achtung und mit Verständ- 
nis für ihre Ideale. Es war, nebenbei gesagt, Herr von Hubn, der meine Auf- 
merksamkeit auf den späteren Abgeordneten Eduard Bernstein lenkte, der 
damals als Flüchtling in London lebte, da ihm infolge einer früheren Ver- 
urteilung die Rückkehr nach Deutschland versagt war. Ich ließ die An- 
gelegenheit in Ordnung bringen, und Eduard Bernstein konnte nach 
Deutschland zurückkehren, wo er im Reichstag und in der sozialdemo- 
kratischen Fraktion eine bedeutsame Rolle spielen sollte, nicht immer zur 
Freude des fanatischen August Bebel, aber mit zweifelloser Ehrlichkeit 
und Überzeugungstreue. Von allen Parteien war uns gesagt worden, die 
Voraussetzung für eine Beilegung des durch die Zwölftausend-Mark-Affäre 
hervorgerufenen Skandals sei, daß Graf Posadowsky nicht selbst das Wort 
ergriffe. Andernfalls wären tumultuarische Szenen zu erwarten. Graf Posa- 
dowsky nahm also neben mir Platz, beteiligte sich aber nicht an der De- 
batte. Ich hob in meiner Rede hervor, wie lächerlich es wäre, bei diesem An- 
laß von einem „Panama“ und von einer „Maffia“ zu sprechen. Das franzö- 
sische Panama wäre wirklich ganz anders gewesen, und die sizilianischen 
„Maffhiosi‘“ schauten nicht aus wie Berliner Geheimräte. Ich erklärte mit 
Nachdruck, daß ich die eminente Arbeitskraft, die Geschäftserfahrung, die 
Kenntnisse und den Charakter des Grafen Posadowsky trotz aller gegen ihn 
gerichteten Angriffe immer gleich hochstelle. Im vollen Einverständnis mit 
ihm selbst wäre ich jedoch der Ansicht, daß derartige Wege in Zukunft nicht 
wieder eingeschlagen werden sollten. Über diese meine Auffassung und 
Willensmeinung als des allein im Reich leitenden Ministers hätte ich das 
beteiligte Ressort nicht im Zweifel gelassen. Ich stünde auch nicht an, trotz 
des guten Glaubens, in dem die beteiligten Beamten gemeint hätten einer 
Vorlage der verbündeten Regierungen zu dienen, den dabei eingeschlagenen 
Weg als einen Mißgriff zu bezeichnen. Zu weiteren Maßnahmen sähe ich 
mich nicht veranlaßt, denn vor Intrigen und Angriffen aus dem Hinterhalt 
beugte ich mich nicht, vor dunklen und unlauteren Machenschaften wiche
	        
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