Wilhelm II.
in Bremen
Ein
bedeusungs-
loses Attentat
518 EIN EISENSTÜCK
Für den 5. März hatte der Kaiser seinen Besuch in Bremen angesagt.
Bei seinem ausgesprochenen Interesse für Handel und Schiffahrt fühlte
sich Wilhelm II. in den Hansestädten besonders wohl. Zwischen Hamburg
und Bremen bestand seit alter Zeit, deutscher Art entsprechend, eine ge-
wisse Eifersucht. In den ersten Jahren nach seiner Thronbesteigung bevor-
zugte Wilhelm II. die Stadt an der Weser, was er in seiner originellen Weise
damit begründete, daß die Bremer Mädchen mit Vorliebe Marineoffhiziere
heirateten, während die Hamburgerinnen reichen Kaufleuten und wohl-
habenden Rittergutsbesitzern, hier und da auch stattlichen Kavallerie-
offizieren den Vorzug gäben. Bald aber eroberte auch das mächtige, groß-
artige Hamburg das kaiserliche Herz, und in den letzten Jahren seiner
Regierung wurde es seine Lieblingsstadt. Er vergaß aber darüber nicht
Bremen, die Stadt, die wie keine andere das Deutschtum in den Osten
getragen, die Riga angelegt hatte, deren Schiffe schon im Mittelalter das
Mittelmeer befuhren, die am Ausgang des zwölften Jahrhunderts vor
Accon den Deutschen Orden gründete und deren verdientes Lob in seinem
schönen Liede auf die deutschen Städte Max von Schenkendorf sang:
Den Weg hast du bereitet
Dem höchsten Christengott,
Hast deutsche Art verbreitet,
Bis Riga, Nowgorod.
Aus mildem Bürgerstande,
Aus stillem Bürgerfleiß
Erblüht im heil’gen Lande
Der Ritterorden Preis.
Während der Kaiser auf der Rückkehr von dem durch Wilhelm Hauffs
„Phantasien“ poetisch verherrlichten Bremer Ratskeller, wo ihm zu Ehren
ein Festessen stattgefunden hatte, nach dem Bahnhof fuhr, schleuderte ein
Arbeiter ein Eisenstück nach dem kaiserlichen Wagen. Der Kaiser wurde
nicht unbedeutend an der rechten Wange verletzt. Es hätte nicht viel
gefehlt und das rechte Auge war verloren. Heftig blutend war der Kaiser
am Bremer Bahnhof angelangt, hatte aber vollständige Fassung bewahrt.
Noch im Laufe der Nacht erhielt ich von ihm ein in den ruhigsten Aus-
drücken abgefaßtes Telegramm. Als ich ihn am frühen Morgen am Lehrter
Bahnhof abholte, zeigte er keinerlei Erregung und berührte den Vorfall
nur kurz und mit freundlichem Gleichmut. Als ich ikn nach dem Schloß
begleitete, beauftragte er mich, sobald wir in seinem Arbeitszimmer ange-
langt waren, an den Ersten Bürgermeister in Bremen zu telegraphieren,
daß er dem Vorgang keine Bedeutung beilege und daß seine Liebe und An-