Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

KÖNIG ALFONS 105 
Schon früher hatte der Kaiser dem König Alfons XIII. von Spanien bei 
ihrer Begegnung in Vigo am 16. März 1904 ein gutes Verhältnis mit Frank- 
reich in beinahe stürmischer Weise anempfoblen. Seinen ersten Auslands- 
besuch müsse der König jedenfalls in Paris abstatten. Gegenüber England 
möge er dagegen vorsichtig, gegenüber Portugal mißtrauisch sein. Der 
Kaiser hatte dabei nachdrücklich betont, daß Deutschland in Marokko kei- 
nerlei Interessen habe, natürlich auch keine territorialen Wünsche verfolge, 
sondern sich ausschließlich auf Förderung der Kulturarbeit beschränken 
würde. Auch Spanien müsse in Marokko nur eine Kulturmission verfolgen, 
auf sie allein seine Kräfte richten und Verständigung mit den anderen in 
Nordafrika engagierten Nationen suchen, in erster Linie mit Frankreich. 
König Alfons war über soviel Liebe für Frankreich bei Wilhelm IL., ver- 
bunden mit einer solchen Selbstlosigkeit, beinahe erstaunt gewesen, zumal 
sich Spanien, wie mir die Königin-Mutter Christine bei unserem Wiener 
Besuch im September 1903 erzählt hatte, seit Mitte der neunziger Jahre 
der französischen Umwerbungen und Allianzanträge kaum erwehren konnte. 
Der Eifer, mit dem Wilhelm II. den Spaniern ein möglichst gutes Verhältnis 
zu Frankreich anempfahl, entsprang zum Teil auch der Hoffnung, daß dies- 
bezügliche Äußerungen Seiner Majestät von Madrid nach Paris gelangen 
und dort Stimmung für den Kaiser machen würden. Der Wunsch, sich mit 
Frankreich zu „versöhnen“, ist von seiner Thronbesteigung bis zum Welt- 
krieg bei Wilbelm II. immer wieder hervorgetreten, allerdings mit gelegent- 
lichen Schwankungen, bisweilen auch, wenn sein Liebeswerben gar keinen 
Erfolg gehabt hatte, mit Ausbrüchen übler Laune, die im Grunde nur 
„depit amoureux“ waren.
	        
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