BJÖRKÖ 137
deutlichen Befehls auch durchsetzen würde. Ich legte dem Kaiser, nament-
lich in der letzten Unterredung, die ich vor seiner am 10. Juli 1905 in
Swinemünde erfolgten Abreise mit ihm hatte, besonders ans Herz, keine un-
vorsichtige Verabredung über Dänemark und die Ostsee zu treffen, da uns
dies nach meiner Beurteilung der Gesamtlage jetzt einem englischen An-
griff oder wenigstens einer Demütigung durch England aussetzen könne.
Ich ließ Seiner Majestät keinen Zweifel darüber, daß es meines Erachtens
am ratsamsten wäre, wenn er vom Zaren nur die bereits erwähnte Zusage
erwirken würde, daß er Lambsdorff den Abschluß eines deutsch-russischen
Defensiv- und Friedensabkommens, qui serait une infraction ni aux
stipulations austro-allemandes ni au traite russo-frangaie, mais qui garan-
tirait et assurerait le repos et la paix du monde, deutlich anempfehle,
alles Weitere aber den Besprechungen zwischen Lambsdorff und mir über-
ließe. Zu diesem Zwecke könnten wir beide uns entweder in Baden-Baden
treffen, oder Lambsdorff möge bei seiner üblichen Herbstreise nach Paris
auf ein paar Tage nach Berlin kommen, oder ich würde nach St. Petersburg
gehen, wo ich Beziehungen besäße und das Terrain kenne. Ein leichter
Schatten flog über das aufgeweckte, bewegliche Gesicht Seiner Majestät
und zeigte mir, daß der hohe Herr gerade diesmal im Vertrauen auf die
bezwingende Macht seiner Persönlichkeit alles allein besorgen und machen
wolle. Als ich frug, ob ich mitfahren solle, erwiderte mir der Kaiser mit
größter Liebenswürdigkeit, meine Gesellschaft wäre ihm an und für sich
immer und überall im höchsten Grade angenehm und erwünscht, aber dies-
mal glaube und fühle er, daß er mehr erreichen würde, wenn er allein,
Aug’ in Auge, dem Selbstherrscher aller Reußen gegenüberstünde. Nur der
„treue“ Tschirschky solle ihn begleiten.
Am 22. Juli erhielt ich ein Telegramm des Kaisers, in dem er mir
erfreut mitteilte, daß der Zar ihn aufgefordert habe, in B jörkö, einer kleinen
Insel in den finnischen Schären, mit ihm zusammenzutreffen. Am folgenden
Tage erreichte mich in Norderney, wo ich mich aufhielt, ein noch freudigeres
Telegramm Seiner Majestät, um mir zu sagen, der Zar sei tief bewegt und
hoch beglückt durch das Wiedersehen. Er sei auf alle Wünsche des Deut-
schen Kaisers eingegangen, der deutsch-russische Vertrag sei perfekt. Ich
habe manches exzentrische Telegramm vom Kaiser erhalten, aber nie eine
so enthusiastische Kundgebung wie aus Björkö. Mit überschwenglicher
Begeisterung schilderte mir Wilhelm II. den Augenblick der Unterzeich-
nung. Als er die Feder aus der Hand gelegt hätte, mit der er diesen welt-
historischen Akt unterschrieben habe, sei ein Sonnenstrahl durch das
Fenster der Kabine auf den Tisch gefallen, wo die Unterschrift vollzogen
worden war. Er habe nach oben geblickt. Da wäre ihm gewesen, als ob
im Himmel sein Großvater Wilhelm I. und Kaiser Nikolaus I. sich tief
Der Vertrag
ist in ‚perfekt‘