Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

Graf Mens- 
dorff-Pouilly 
154 DIE ENGLÄNDER BETRUNKEN MACHEN 
S.M. sehr schlecht zu sprechen zu sein. Ich sagte zu Fürst Max Fürstenberg, 
der Kaiser habe augenscheinlich mit ihm als seinem persönlichen Freund 
gesprochen, und ich hoffte, er werde als solcher die Worte S. M. in seinem 
Busen bewahren. $. M. habe ich abends unter vier Augen erzählt, was mir 
Fürstenberg gesagt hatte, und ich habe S. M. beschworen, vorsichtig zu 
sein. Der persönliche Zwist zwischen ihm und dem König Eduard könne 
die weittragendsten und unheilvollsten Konsequenzen haben; die Engländer 
warteten doch nur darauf, daß er sich eine Blöße gebe. Nun kommt leider 
wieder die Sache mit dem Kronprinzen! Beide Majestäten sind unter dem 
Eindruck der bedauerlichen Unreife des Kronprinzen. Ich habe neulich ein 
langes Gespräch mit der Kaiserin darüber gehabt und habe ihr gesagt, ich 
hätte ihr schon vor zwei Jahren geraten, den Kronprinzen einmal beim 
Landrat oder, wenn es nicht anders gehe, beim Oberpräsidenten ordentlich 
arbeiten zu lassen. Denn bisher, auch militärisch, spielt er ja nur. Die 
Kaiserin fand allerhand Gründe, weshalb es bis jetzt nicht möglich ge- 
wesen sei, will nun aber alles tun, damit im Herbst eine Entscheidung in 
dieser Richtung getroffen werde. Eine Unterstützung dieses Planes durch 
Eure Durchlaucht würde gewiß von bester Wirkung sein und die guten 
Absichten der Majestäten zu praktischer Ausführung bringen. Mit dem 
Ausdruck ausgezeichneter Hochachtung und tiefster Verehrung Euer 
Durchlaucht ganz gehorsamer von Tschirschky.“* 
Der Gedanke, zwei Generaladjutanten nach Swinemünde zu schicken, 
um dort das Verhalten der englischen Flotte zu beobachten, war in der Tat 
nicht glücklich. Fast noch kindlicher, um nicht zu sagen kindischer, war, 
was in derselben Zeit, am 25. August 1905, Kaiser Wilhelm ohne mein 
Wissen an seinen Freund Nicky schrieb: „Ich habe Meiner Flotte befohlen, 
der britischen in der Ostsee wie ein Schatten zu folgen und, wenn sie in 
Swinemünde Anker geworfen hat, in der Nähe der britischen Flotte an- 
zulegen, ihnen ein Diner zu geben und sie so betrunken zu machen wie mög- 
lich, um herauszukriegen, was sie vorhaben, und dann wieder fortzusegeln.“ 
In Wirklichkeit wurde die englische Flotte in Swinemünde von allen 
Behörden in der üblichen Form, mit ruhiger Höflichkeit begrüßt und auf- 
genommen. Alle Offiziere unserer Marine, mit denen ich während meines 
Lebens in Berührung gekommen bin, zeichneten sich durch gute Manieren 
und ein einnehmendes Wesen aus, erwarben sich auch überall Sympathien. 
Der in dem Briefe des Gesandten von Tschirschky erwähnte öster- 
reichische Botschafter in London Graf Albert Mensdorff war Persona in- 
gratissima bei Seiner Majestät. Die Mensdorffs entstammten einer kleinen 
lothringischen Familie, die ursprünglich Pouilly hieß. Ein Pouilly emi- 
grierte während der Französischen Revolution nach Koblenz und wurde von 
dort nach Österreich verschlagen, wo es ihm gelang, das Herz der Prin-
	        
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