Vorbereitung
für Algeciras
168 EIFERSUCHT IM A. A.
Regierung den Eindruck hervorgerufen, daß er zu allem bereit sei, und die
englische Regierung hätte bei dem eitlen Ex-Minister die Rolle des Ver-
suchers gespielt. Die Mehrzahl der französischen Blätter tadelten Delcasse,
weil er Staatsgeheimnisse preisgegeben habe. Die offiziöse „Agence Havas“
erklärte sich ermächtigt, die vom „Gaulois“ und vom „Matin“ verbreiteten
Erzühlungen über die Zwischenfälle, die den Rücktritt Delcasses herbei-
geführt hätten, wie über die Einzelheiten bezüglich der Sitzung des damali-
gen Ministerrats als unzutreffend zu bezeichnen. Gleichzeitig erklärte das
Büro Reuter die Enthüllungen des „Matin‘“ über das militärische Ver-
sprechen Englands für unwahr. Der englische Botschafter suchte mich auf,
um mir amtlich, im Auftrag seiner Regierung zu erklären, daß die Behaup-
tung des Ex-Ministers Delcasse, die englische Regierung habe ihm militä-
rische Hilfe in Aussicht gestellt und 100000 Mann in Holstein landen
wollen, unwahr wäre. Ich erwiderte meinem Freunde Lasccelles, ich hielte
an der Hoffnung fest, daß das englische und das deutsche Volk sich nicht
durch französische Treibereien verleiten lassen würden, sich „pour les beaux
yeux de la belle France“ in die Haare zu geraten und das namenlose Un-
glück eines allgemeinen Krieges über die Welt heraufzubeschwören. In der
offiziösen „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung‘ ließ ich den Enthül-
lungen des „Matin‘ und des „Gaulois“ jede Bedeutung für die in den
letzten Monaten erzielte freundlichere Gestaltung des deutsch-französischen
Verhältnisses absprechen. In der halboffiziösen „Kölnischen Zeitung“
wurde gleichzeitig ausgeführt, daß die Enthüllungen des „‚Matin“ nicht als
lächerliche Phantastereien abgetan werden könnten. Es empfehle sich, sie
ernst zu nehmen. Es habe wenig gefehlt, daß die leidenschaftliche Gefühls-
politik des Herrn Delcasse Europa in einen Krieg gestürzt hätte, wie er
furchtbarer nicht gedacht werden könne.
Bei den Vorarbeiten für die Konferenz von Algeciras machten sich in der
politischen Abteilung des Auswärtigen Amts allerlei Eifersüchteleien und
Zänkereien geltend. Sie waren zum großen Teil auf die Unverträglichkeit
des Geheimen Rats von Holstein zurückzuführen, der dem Staatssekretär
Richthofen, nachdem er eine Zeitlang mit ihm leidlich ausgekommen war,
neuerdings Amt und Leben sehr erschwerte. Gleichzeitig hatte er einen der
kenntnisreichsten und begabtesten Beamten im Auswärtigen Amt, den
damaligen Legationsrat, späteren Gesandten und endlich nach dem Um-
sturz kurze Zeit Minister des Äußern Rosen, Gott weiß warum, en grippe
genommen. Der Botschafter Radolin in Paris bildete sich ohne Grund ein,
Rosen wäre zu seinem Nachfolger bestimmt, und erschwerte infolgedessen
Rosen, als dieser zur Besprechung mehrerer Spezialfragen für einige Wochen
nach Paris geschickt worden war, in etwas kleinlicher Weise seine Aufgabe.
Der Vertrauensmann von Holstein war damals der Geheime Rat Kriege,