Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

176 KYRILLS EHE 
Kyrill sein Versprechen gehalten, bis dahin zu warten. Wir haben in diesen 
vier Jahren alles getan, um diese Ehe zu verhindern; die Herzen wollten 
aber nicht voneinander lassen, und so war es schließlich für Kyrills Namen 
und Ehre besser, die Sache endete mit einer Heirat. Daß die Sache hier 
nicht ganz glatt verlaufen würde, wußten wir und waren auf einige momen- 
tane Unannchmlichkeiten gefaßt. Die blinde Rachsucht und Wut der jungen 
Kaiserin hat aber alles übertroffen an Bosheit, was die wildeste Phantasie 
sich ausmalen könnte. Sie hat wie eine Wahnsinnige getobt und gewütet, 
ihren schwachen Mann mit fortreißend, der ihr seine Macht hergab, um an 
ibrer Ex-Schwägerin sich zu rächen in dem Mann ihrer Wahl. Man hat ge- 
handelt, als ob ein furchtbares Verbrechen begangen worden sei, und so 
gerichtet. Dieses Wüten gegen einen Großfürsten, der ein Opfer des Krieges 
ist, der sich einen Namen in Port Arthur machte, der eine ebenbürtige 
Frau sich wählte, der, statt zu desertieren wie die anderen, gleich herkam, 
sich seinem Kaiser zu stellen zur Sühne! Dem Sohn des ältesten Onkels, 
der seit fünfundzwanzig Jahren unermüdlich und treu an der Spitze der 
hiesigen Truppen steht, hundertmal den Kaiser herausgerissen hat usw., 
und dasin diesem Moment, das ist den Menschen doch zu viel, und es geht 
ein furchtbarer Aufschrei der Entrüstung durch alle Klassen der Bevölke- 
rung. Wladimir hat infolge der entehrenden Behandlung seines Sohnes seine 
Entlassung eingereicht, denn er, der Treuste der Treuen bisher, sagt, er 
könne mit den Gefühlen jetzt im Herzen gegen den Kaiser ihm nicht mehr 
dienen. Die Truppen sind sehr aufgebracht, daß sie ihren geliebten Führer 
verlieren sollen, und ich weiß, daß von allen Seiten in den Kaiser gedrungen 
wird, ihm klarzumachen, es läge Gefahr darin, diesen Onkel gehen zu 
lassen. Darum verzögert sich die Antwort nun schon seit sechs Tagen. Aber 
ich glaube nicht, daß Wladimir bleiben kann, auch aufeine Bitte des Kaisers 
hin nicht, außer man rehabilitiert unseren Sohn. Was der Sache die Krone 
aufsetzt, ist, daß Kyrill mit Genehmigung des Kaisers herkam, seine 
Heirat ihm zu melden, und daß ihm gerade dies Herkommen als Haupt- 
schuld angerechnet wird. Du, lieber Onkel, mußt glauben, daß dies so nicht 
möglich ist; aber, leider, hier ist jetzt alles möglich, und wenn ich hinzu- 
füge, daß diese Genehmigung ohne Wissen der Kaiserin gegeben wurde, 
wirst Du Dir wobl ein genaues Bild der Situation machen können. Also es 
wurde so gehandelt: Kaum war Kyrill angekommen, erschien der Haus- 
minister mit dem Befehl, sofort Rußland wieder zu verlassen. Die Kaiserin 
wollte, noch an demselben Abend, aber das wäre nur im Luftballon möglich 
gewesen. Dann Ausstreichen aus Flotte und Armee. Verlust aller Uni- 
formen und Grade; Verlust seines Chefregiments, bei seiner Geburt von 
seinem Großvater ihm verliehen. Verlust seiner Apanagen: Verlust seines 
Namens und Titels und ewige Verbannung. Die Sache mit dem Namen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.