178 DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH-UNGARN, RUSSLAND
im Leben begegnet sind. Sein einziger Fehler war ein zu weit gehender
Idealismus, der, von der eigenen Herzensgüte und Reinheit der Seele aus-
gehend, bei anderen gleiche Gefühle voraussetzte. Er war der Sohn eines
kurhessischen Beamten, der an seinem angestammten Kurhause trotz dessen
bekannter Sünden und Narrheiten mit deutscher Treue bing. Der Alte
wollte dem Sohn, den Neigung und Begabung zum Heere zogen, anfänglich
nicht erlauben, in der preußischen Armee auf Avancement zu dienen.
Erst als der Sohn Reserveoffizier geworden war, gestattete ihm der Vater
den Übertritt zur aktiven Armee. Deines führte in Wirklichkeit den Vor-
namen Adolf, hieß aber bei allen seinen Freunden und in der ganzen Armee
„Anton“, vielleicht, um damit die Biederkeit seines Wesens zu charakteri-
sieren. Er wurde ein ausgezeichneter Offizier, der sich im Krieg als Leutnant
bei den Königshusaren ebenso bewährte wie später als Rittmeister bei den
für ihr kühnes Reiten berühmten Zietenhusaren und endlich als General-
stäbler. „Anton“ und ich waren seit dem Feldzug treue Freunde, obschon
er mir nicht verhelilte, daß er die Diplomaten gar nicht mochte, weil er sie
mit wenigen Ausnahmen entweder für falsch oder für schlapp hielte. Deines
war ein Liebling von Waldersee, dem sein forsches Wesen gefiel und der
auch fühlen mochte, daß jener nach seiner ganzen Art dazu neigte, das will-
füährige Werkzeug eines Listigeren zu werden. Das brachte Deines während
seiner Tätigkeit als Militärbevollmächtigter in Wien in einen für beide Teile
charakteristischen Konflikt mit dem Fürsten Bismarck.
Im Dezember 1887 hatte Major von Deines über eine Unterredung mit
dem Kaiser Franz Josef und im Anschluß hieran über die Stimmung in
Österreich-Ungarn und über die dort allgemein herrschende Begeisterung
für einen Krieg der Mittelmächte gegen Rußland berichtet. Man glaube in
Österreich-Ungarn fest an einen schließlichen Erfolg Schulter an Schulter
mit dem Deutschen Reich. Die österreichische Armee würde in einen Krieg
gegen Rußland ohne Deutschland mit banger Besorgnis und mit bitteren
Gefühlen gegen Deutschland eintreten. Die Masse denke sich unter der
deutsch-österreichischen Allianz ein festes Schutz- und Trutzbündnis für
alle Fälle. Diese Stimmung sei nicht künstlich erzeugt, sie habe sich von
selbst gebildet, man müsse mit ihr rechnen. Im gesamten Offizierkorps der
Doppelmonarchie bestehe ein felsenfestes Vertrauen zu uns und unseren
sieggewohnten Falınen. Schlügen wir gleich los, so würden alle Bedenken
schwinden. An ihre Stelle würden Begeisterung und ein gesunder Ehrgeiz
treten, es den Deutschen gleichzutun. Auf diesen seinen Bericht erhielt mein
Freund Anton einen Erlaß des Fürsten Bismarck, dessen Schluß so be-
zeichnend für die Art des großen Kanzlers ist, daß ich ihn hier wiedergeben
will: „Wenn ich Euer Hochwohlgeboren diese Erwägungen, welche mich
bei der politischen Beratung Seiner Majestät des Kaisers leiten, hier in