DIE BEWAFFNETE ENTENTE CORDIALE 203
schwierigkeiten behoben seien. Ich könne mich aber nicht der Sorge ver-
schließen, daß die Franzosen, wenn sie von England sich angespornt
fühlten, weiter gingen, als sie nach Recht und Billigkeit dürften. Leider
seien die Beziehungen zwischen England und Deutschland infolge der
jüngsten Enthüllungen und Preßfehden auch nicht gerade besser geworden.
Man scheine sich hier nicht recht darüber klargeworden zu sein, welchen
tiefen Eindruck es in Deutschland habe machen müssen, plötzlich zu er-
fahren, daß England sich bereit erkläre, mit den Franzosen gegen uns zu
kämpfen, und zwar freiwillig, ohne vorher eingegangene Verpflichtung. Zu
sehen, daß ein Land, mit dem wir nie in Krieg gewesen wären, mit dem keine
wichtigen Interessengegensätze beständen, sich ganz kühl dazu bekenne,
daß es gegen uns kämpfen würde, wenn es mit unserem Erbfeinde zum
Kriege käme, habe nicht Furcht, aber notwendige Erbitterung im deut-
schen Volk erwecken müssen. Wenn man nun auch von allem Sensationellen
und Unwahren der jüngsten Enthüllungen absehe, so bleibe doch die nackte
Tatsache bestehen, daß sowohl die englische öffentliche Meinung erklärt
wie auch die englische Regierung zu verstehen gegeben habe, daß bei einem
deutschen Angriff die Franzosen die bewaffnete Hilfe Englands haben
würden. Über die Verklausulierungen hinsichtlich des Angriffs mache sich
wohl niemand eine Illusion, der die hiesige Stimmung kenne. Wenn die
Franzosen morgen über die deutsche Grenze gingen, so würde es übermorgen
in ganz England heißen, daß sie durch die herausfordernde Haltung
Deutschlands dazu gezwungen worden seien. Wenn man hierzu noch das
ihm, Mr. Haldane, bekannte Verhältnis zwischen König und Kaiser nähme,
so sei das Bild vollständig. (Mr. Haldane war gerade einige Tage in Bal-
moral bei König Eduard zu Gast gewesen und weiß genau, wie es zwischen
den beiden hohen Herren steht.) Ich führe nur dies aus meinen Ausfüh-
rungen an, um die Antwort Mr. Haldanes verständlich zu machen, über-
gehe aber der Kürze halber vieles andere und insbesondere alle meine
Äußerungen, die den englisch-deutschen Gegensatz als unverständig und
die Preßhetze als gefährlich bezeichneten. Ich malte absichtlich schwarz,
um meinen Zuhörer zu impressionieren und in ihm den Wunsch nach Ab-
änderung des vorhandenen Zustandes zu befestigen. Mr. Haldane bemerkte,
er wisse ganz bestimmt, daß Sir Edward Grey die Aussöhnung mit Deutsch-
land wünsche. Von konservativer Seite werde versucht, die liberale Partei
als im Gegensatz zur bisherigen auswärtigen Politik Englands hinzustellen.
Das gute Einvernehmen mit Amerika, die Entente cordiale und das japa-
nische Bündnis seien aber Grundsätze der auswärtigen Politik, an denen
ganz England festzuhalten wünsche. Sir Edward Grey habe daher mehr von
dem Gesichtspunkte der inneren Politik aus die auswärtige Lage beleuchtet,
um die Kontinuität der auswärtigen Politik Englands festzustellen und um