Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

ELASTISCHES NATURELL 221 
hatte, schrieb mir: „Auf dem arbeits- und dornenvollen Felde der Politik, 
das Eure Durchlaucht wie kein anderer kennen, belebt und erfrischt den 
von formalem Ehrgeiz Freien, mit anderen selten, mit sich nie Zufriedenen 
kaum etwas besser als die so freundliche Anerkennung unseres bedeu- 
tendsten Staatsmannee. Ich kann hieran nur die Bitte um ferneres Wohl- 
wollen und den Ausdruck der Hoffnung knüpfen, die ich mit allen Patrioten 
teile, daß Euer Durchblaucht Gesundheit sich wieder völlig zu der alten 
Kraft stählen möge, der ich bin Eurer Durchlaucht ehrerbietigst ergebener 
von Heydebrand.“ Der Führer der Reichspartei, Fürst Hermann Hatz- 
feldt, Herzog von Trachenberg, schrieb: „Eure Durchlaucht wollen mir 
gestatten, meiner aufrichtigen Freude darüber Ausdruck zu geben, daß Sie 
sich von dem vorübergehenden Unwohlsein so rasch erbolt und die Zügel 
der Regierung wieder in die kräftige, zielbewußt leitende Hand genommen 
haben. In hoher Verehrung verbarre ich Eurer Durchlaucht gehorsamster 
Hermann Hatzfeldt.“ Der alte Vertraute des Hauses Bismarck und sein 
Wortführer in der Presse, Hugo Jacobi, schrieb mir: „Durch das Rauschen 
der Wellen in Norderney klingt Ihnen das Lied vom Vaterlande als eine 
unaufhörliche Ermahnung zur Gesundung, von der für uns alle, für Deutsch- 
land so viel abhängt.“ Sein Antipode, der Chefredakteur der „Frankfurter 
Zeitung‘, Theodor Curti, sprach mir seine besten Wünsche dafür aus, daß 
ich mich bald wieder im Besitz meiner ganzen Kraft und früheren Rüstig- 
keit befinden möge: „Neben der Kunst des Hippokrates ist Ihre eigne 
Kunst, mit der Sie Handlung und Betrachtung, Staatssorge und Philo- 
sophie miteinander zu verbinden wissen, ein Elixier, das Ihnen noch lange 
Jahre mit frohen Tagen geben wird.“ Curti hatte recht, wenn er annahm, 
daß mein schon von meinem verehrten Lehrer Hermann Adalbert Daniel 
in Halle beobachtetes elastisches Naturell persönliche Prüfungen und Ent- 
täuschungen überwinden würde. Über meinen Rücktritt und die bei diesem 
Anlaß zutage getretene Undankbarkeit des Kaisers wie über die Jämmer- 
lichkeit so mancher, die jahrelang vor mir scherwenzelt hatten, um mich 
später im Augenblick der Schwierigkeiten und Gefahren feige im Stich 
zu lassen, hat mir die in einem bewegten Leben allmählich erworbene 
Selbstbeherrschung in der Tat später weggeholfen. Gegen das Herzeleid, 
das mir der Zusammenbruch, die Not und Schmach des Vaterlandes 
brachten, ist für mich kein Kraut gewachsen. Graf Udo Stolberg schrieb an 
meinen Arzt Renvers, nachdem er mir vor meiner Abreise nach Norderney 
einen Besuch abgestattet hatte: „Ich muß sagen, daß mir ein sehr schwerer 
Stein vom Herzen gefallen ist, als ich mich durch den Augenschein davon 
überzeugen konnte, daß dem Fürsten von seinem Unfall absolut nichts an- 
zumerken ist, da ich mir eine Zukunft, in der er mit verminderter Kraft 
oder gar nicht mehr wirken könnte, eigentlich nicht denken kann. Diese
	        
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