230 DAS GESCHREI DER ALLDEUTSCHEN
alles in allem unseren Standpunkt behauptet, unter schwierigen Verhält-
nissen behauptet. Dazu kommen zwei Errungenschaften: Wir haben gezeigt,
daß auch stachlige Fragen, bei denen das Prestige großer Mächte engagiert
war, in friedlicher Beratung am Konferenztisch beigelegt werden können.
Ohne Krieg, bei dem wir, wie die Dinge in der Welt liegen, viel einsetzen, bei
dem wir sehr viel verlieren, aber nicht viel gewinnen können! Wenn ich
dazurechne, daß ich durch meine Behandlung der Marokko-Frage Delcasse
gestürzt habe, den gefährlichsten unserer Gegner, der gar zu gern die
Brandfackel an das europäische Pulverfaß gelegt hätte, so meine ich, wir
können zufrieden sein. Es wird Dich interessieren, daß der Präsident Roose-
velt unserem Botschafter Speck von Sternburg schon im März sagte:
seinem Gefühle nach habe Deutschland den Zweck seiner Intervention in
der Marokko-Angelegenheit mit der Konferenz erreicht, das getroffene
Arrangement sei ein Triumph der deutschen diplomatischen Leitung. Vom
Standpunkt eines beiden Parteien freundlich Gesinnten und — soweit nicht
die Interessen des Friedens berührt würden — am Ausgang der Konferenz
nicht direkt interessierten Beobachters habe der Präsident triftige Gründe
anzunehmen, daß, wenn die Konferenz daran scheitern solite, daß Deutsch-
land noch weitere Zugeständnisse von Frankreich erpressen wolle, die
öffentliche Meinung von Europa und Amerika sich gegen Deutschland
wenden und Deutschland an Kredit und Einfluß erheblich verlieren, ja
voraussichtlich weit über jede Berechtigung hinaus für alle schlimmen
Folgen verantwortlich gemacht werden würde, die sich dann für die
Störung der allgemeinen Weltlage ergeben könnten. Vorstehendes meldete
mir nach einem langen Gespräch mit dem amerikanischen Präsidenten
unser Botschafter Speck von Sternburg am 7. März. Das Geschrei der All-
deutschen läßt mich kalt. Woher nehmen diese Narren das Recht, mir un-
genügende und schwächliche Vertretung der deutschen Rechte und Iuter-
essen vorzuwerfen? Wo es sich um die Vertretung unserer Interessen und
Rechte handelt, bin ich ebenso empfindlich, 8o gewissenhaft und fest wie
irgendwer. In dieser Beziehung stehe ich niemandem nach und lasse mich
von niemandem übertreffen. Was die mir bisweilen vorgeworfene Liebens-
würdigkeit dem Ausland gegenüber angeht, so soll man mir doch sagen,
wo ich die deutschen Rechte und Interessen, die deutsche Würde unge-
nügend vertreten habe. Da man mir keinen einzigen solchen Fall nennen
kann, so schließe ich daraus, daß meine Gegner die Urbanität, deren ich
mich als Mensch und im persönlichen Verkehr befleißige, obne weiteres auch
meiner politischen Tätigkeit als einzige Richtschnur unterstellen. Das ist
ein Irrtum! Und ich muß ferner annehmen, daß Hasse, Liebermann von
Sonnenberg e tutti quanti sich nicht gegenwärtig halten, wie in der aus-
wärtigen Politik Höflichkeit und Festigkeit sich gar nicht ausschließen.