Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

DER ÜBERRUMPELTE DUKE 247 
zwischen den hohen Herren und ihren Ländern zum mindesten an Reibe- 
reien sich zugetragen hat, den Kaiser im eigenen Schloß, wenn nicht in der 
eigenen Residenz besuchen. Ich will mich nicht in Dinge mischen, die mich 
nichts angehen, aber ich möchte nicht, daß die Welt hierüber wieder mit 
Recht ihre Glossen machen könnte. Warum kann der gute dicke Herr nicht 
bis Wilhelmshöhe fahren oder der Kaiser selbst in unserem Homburger 
Schloß wohnen und ihn dort begrüßen? Dies kann ich nicht einschen. 
Mit herzlichen Grüßen für Ihre Frau und besten Wünschen für Ihre Ge- 
sundheit Ihre herzlich ergebene A. Viktoria.‘ Ich beruhigte die Kaiserin 
und ließ, nachdem der Besuch in Friedrichshof stattgefunden hatte, die 
Zusammenkunft in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung‘ in einem 
freundlichen Artikel kommentieren, der in England gut aufgenommen 
wurde. 
Begegnung und Aussprache waren um so erwünschter gewesen, als sich 
während der Kieler Woche ein Zwischenfall ereignet hatte, der an und 
für sich kaum der Erwähnung wert sein würde, der aber nicht ganz mit 
Unrecht den Herzog von Connaught, einen in England in allen Kreisen ange- 
sehenen und beliebten, dabei uns wohlgesinnten Prinzen, und seine Gattin, 
eine preußische Prinzessin, stark verschnupft hatte. Das Herzogspaar befand 
sich auf der Rückreise von der Taufe seines Enkels in Stockholm. Die eng- 
lische Jacht „Enchanteress“, auf der der Herzog und die Herzogin reisten, 
war den Behörden des Kaiser-Wilhelm-Kanals zur Durchfahrt angezeigt 
und gleichzeitig die ausdrückliche Bitte ausgesprochen worden, in Kiel 
wegen Zeitmangels von Ehrenbezeigungen und Besuchen abzusehen. Das 
war Seiner Majestät gemeldet worden. Trotzdem hatte der Kaiser, der sich 
zur Kieler Woche im Kieler Hafen befand, es nicht unterlassen können, 
sehr früh mit einer Pinasse nach dem Eingang des Kanals, nach Holtenau 
zu fahren, um selbst festzustellen, ob sein Onkel die im Hafen wehende 
Kaiserstandarte honorieren und ihm einen Besuch abstatten würde. Der 
Kaiser faßte die „Enchanteress“ in dem Augenblick ab, wo sie gerade in 
die Kanalschleuse einfuhr. Er kletterte sofort an Bord der englischen Jacht, 
Der Herzog war gerade dabei, sich zu rasieren, die Herzogin begann ihre 
Morgentoilette. Als sie beide, in dieser Weise überrumpelt, sich dem Kaiser 
zeigten, machte dieser ihnen gereizte Vorwürfe. Der Herzog erwiderte, 
er habe ja gar nicht gewußt, daß sein Neffe sich in Kiel befinde, was den 
Ingrimm Seiner Majestät noch verstärkte. Wenn wir auch nicht mehr in 
den Zeiten leben, in denen ein Glas Wasser über Krieg und Frieden ent- 
schied, so ist doch leider nicht zu leugnen, daß Wilhelm II. durch eine immer 
wieder hervortretende Mischung von Zudringlichkeit und Empfindlichkeit 
sehr dazu beigetragen hat, sich fast allen fremden Höfen unangenehm zu 
machen und damit unsere Politik zu erschweren, bisweilen auch zu stören. 
Der Kaiser 
und der 
Herzog von 
Connaught
	        
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