Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

DIE PEINLICHEN HOHENLOTNE-MEMOIREN 251 
nicht selten auf Grund häßlicher Denunziationen, womöglich nach vorher- 
gegangenem Erpressungsversuch oder aus persönlicher Rache erfolgten. 
Ich will aber nicht verfehlen, hinzuzufügen, daß es mir während meiner 
Amtszeit niemals in den Sinn gekommen ist, zum Schutz der kaiserlichen 
Majestäten ein Gesetz von der Art des 1922 von Herrn Joseph Wirth durch- 
gesetzten Gesetzes zum Schutz der Republik in Vorschlag zu bringen, ein 
drakonisches und gleichzeitig kleinliches Gesetz, durch das die republikani- 
schen Machthaber beweisen, daß sie für ihr doch diskutables System und 
ihre recht unbedeutenden Personen fast so empfindlich sind, wie es in der 
Zeit der Karlsbader Beschlüsse die sogenannte „Reaktion“ war. Ich stelle 
nicht ohne Genugtuung fest, daß es mir während meiner zwölfjährigen 
Ministertätigkeit nie in den Sinn gekommen ist, den Schatten des seligen 
Fürsten Clemens Metternich heraufzubeschwören. Malo periculosam 
libertatem. 
Anfang Oktober 1906 erschienen die Denkwürdigkeiten meines ver- 
ehrten Amtsvorgängers und langjährigen Chefs in Paris, des Fürsten Chlod- 
wig Hohenlohe. Sie enthielten mancherlei Neues über die Entlassung des 
Fürsten Bismarck, das Verhältnis Deutschlands zu Rußland und Öster- 
reich, Urteile Bismarcks über Kaiser Wilhelm II., waren aber im großen 
und ganzen in dem Geist der Mäßigung und vorsichtigen Behutsamkeit 
gehalten, der den alten Fürsten ausgezeichnet hatte. Wilhelm II. geriet 
über die Publikationen in sehr große Erregung. Die Veröffentlichung war 
von dem dritten Sohn des Fürsten Chlodwig, dem Prinzen Alexander 
Hobenlohe veranlaßt worden, den der Kaiser nie gemocht hatte und dem 
er nur, weil ich sehr insistierte, den schönen Posten des Bezirkspräsidenten 
in Kolmar übertragen hatte. Der Kaiser richtete an den ältesten Bruder 
des Prinzen Alexander, den Fürsten Philipp Ernst, ein zorniges Telegramm, 
in dem er erklärte, er habe mit „Erstaunen“ und „Entrüstung‘ von dieser 
Veröffentlichung Kenntnis genommen. „Wie konnte cs zugehen, daß 
dergleichen Material der Öffentlichkeit übergeben werden konnte, ohne 
zuvor Meine Erlaubnis einzuholen ? Ich muß dieses Vorgehen als im höchsten 
Grade taktlos, indiskret und völlig inopportun bezeichnen.“ Es sei uner- 
hört, über einen Souverän etwas ohne dessen Genehmigung zu veröffent- 
lichen. Der arme Prinz Alexander erschien bei mir in Homburg vor der 
Höhe, wo mir der Kaiser, um meine völlige Wiederherstellung zu beschleu- 
nigen, in überaus gütiger Weise sein dortiges Schloß zur Verfügung gestellt 
hatte und wo ich schöne Spazierritte in den mir seit meiner frühesten 
Jugend so wohlbekannten Wäldern und Tälern unternahm. Die idyllische 
Ruhe, die ich dort seit einigen Tagen genoß, wurde durch den Prinzen 
Alexander unterbrochen. Er war sehr unglücklich. Er redete sich auf den 
Herausgeber der Memoiren, Dr.Curtius, heraus, der sich wiederum damit 
Wilhelm Il. 
und die 
Tagebücher 
Hohenlohes
	        
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