WILHELM II. UND DER „PRINZ VON HOMBURG“ 279
Sozialdemokratie schon im ersten Anlauf entrissen worden. Die Parteien der
Rechten baben bei den Wahlen von 1907 im Ganzen 113 Mandate erobert,
die Liberalen 106. Die Sozialisten verfügten nur noch über 43 Mandate.
Es war die schwerste Niederlage, welche die Partei seit ihrem Bestehen zu
verzeichnen hatte. Sie war ihres Sieges bis zum Wahltag so sicher gewesen,
daß das sozialdemokratische Witzblatt „Der wahre Jakob“ schon ein Bild
vorbereitet hatte, das gerade am Wahltag erschien und das Bebel als Sieger
mit der roten Fahne in der Hand darstellte, wie er über den am Boden
liegenden und um Gnade bittenden Reichskanzler wegreitet. Das war der
erste gute Witz, den ich, immer ein Freund der Witzpresse, im „Wahren
Jakob‘ gefunden hatte.
Am Tage nach der Wahl erschienen, von der Kaiserin entsandt, die
königlichen Prinzen, mit Ausnahme des abwesenden Kronprinzen, bei
meiner Frau, um sie zu beglückwünschen und ihr Blumen zu überreichen.
Der Kaiser selbst kam am Nachmittag, hocherfreut und in sehr gehobener
Stimmung. Am nächsten Tage meinte er schon, er habe nie daran gezweifelt,
daß jeder Reichskanzler, der mit einer Militär- oder Flottenparole in den
Wahlkampf zöge, siegen müsse und werde. Am dritten Tage stellte er bei
seinem Morgenbesuch Betrachtungen darüber an, daß es im letzten Ende
ziemlich gleichgültig wäre, wie sich die Parteiverhältnisse im Reichstag
gestalteten. Die Hauptsache wäre, daß der Reichstag als solcher nicht frech
würde. Am Abend des Stichwahltages hielt der Kaiser an die vor dem
königlichen Schloß ihm Huldigungen darbringende Menge eine Ansprache,
in der er, nach seiner Art meine Worte vom Abend des ersten Wahltages
übertreibend, aus dem „Prinzen von Homburg‘ das Wort des alten Kott-
witz zitierte, der dem Großen Kurfürsten sagt, es komme nicht auf die Regel
an, nach der man den Feind besiege, wenn er nur geschlagen werde, und
ausrief: „Die Kunst jetzt lernten wir, ihn zu besiegen, und sind voll Lust,
sie fürder noch zu üben!“ Auch vor das Reichskanzlerpalais zogen wieder
tausende patrivtische Bürger, ich mußte wieder erscheinen und wies darauf
hin: Wer bei den Stichwahlen wie bei den Hauptwahlen gesiegt habe, das
sei der deutsche Geist,
Der gekämpft hat allerwegen,
Der noch kämpft zu dieser Frist,
Und der darum nicht erlegen,
Weil er ja unsterblich ist.
Von verschiedenen Seiten, auch brieflich, gefragt, von wem diese Verse
wären, wußte ich keine Antwort. Um so erfreuter war ich, als mir der Ober-
landesgerichtsrat Creizenach aus Frankfurt a. M. schrieb, daß die Verse
von seinem verstorbenen Vater stammten, dem Professor der Geschichte