„Pcace and
good will“
296 EDUARD VIL.IN WILHELMSHÖHE
nur der Revolution zugute kommen würden, die beide Reiche bedrohe,
Rußland noch mehr als Deutschland. Es sei ein grober Irrtum mancher
russischer Chauvinisten, äußerte er zu mir, anzunehmen, daß ein auswärtiger
Krieg gegenüber der inneren, revolutionären Gefahr als „derivatif“
wirken würde. Ich entgegnete ihm: „Vous parlez d’or, mon cher ami. Se
precipiter dans la guerre pour Eviter la revolution serait imiter l’exemple de
Guibollard, qui, chez Rabelais, se jette dans l’eau pour Echapper a la plujie.‘“
Er lachte und gab mir recht. Wenn man in St. Petersburg kaltes Blut
bewahre, von deutscher Seite Rußland nicht in der polnischen Frage und
auf der Balkanhalbinsel brüskiere, würden wir beide nicht ersaufen.
Am 14. August fand in Wilhelmshöhe eine Zusammenkunft zwischen
Wilhelm II. und Eduard VII. statt. Der König beehrte mich mit einer lan-
gen Aussprache, in der er den Gedanken in den Vordergrund stellte, daß,
je törichter sich vielfach diesseits und jenseits des Kanals die Presse, je
unvernünftiger auch die Völker oder wenigstens eine Minorität innerhalb der
beiden Völker sich benähmen, um so mehr die beiden Regierungen kaltes
Blut bewahren müßten. Er versicherte mich seines unveränderten Ver-
trauens und fügte hinzu, ich könne sicher sein, daß er nach wie vor auf das
lebhafteste „Peace and good will“ zwischen Deutschland und England
wünsche. In einem sehr warmen Trinkspruch, dessen Veröffentlichung er
ausdrücklich erbat, dankte er für den herzlichen Empfang, der ihm bereitet
worden sei, nicht nur von seiten der Behörden und der Truppen, die in Parade
gestanden hätten, sondern auch von dem Volk, wo es ihm in den Straßen
begegnet wäre. Er fuhr in seinem Trinkspruch fort: „Indem ich von ganzem
Herzen meinen besten Dank ausspreche, füge ich hinzu, es ist mein größter
Wunsch, daß zwischen unseren beiden Ländern nur die besten und ange-
nehmsten Beziehungen bestehen. Ich freue mich sehr, daß Eure Majestät
mich bald in England besuchen werden. Ich bin fest davon überzeugt, daß
nicht nur meine Familie, sondern das ganze englische Volk Eure Majestät
und Ihre Majestät die Kaiserin mit der größten Freude empfangen werden.“
Vor dem Abendessen unternahm der Kaiser mit dem König eine Rund-
fahrt durch die anmutige Umgebung von Wilhelmshöhe und die Straßen
des aufblühenden Kassel, dessen Bürgermeister damals noch nicht Herr
Philipp Scheidemann, sondern ein bewährter Jurist und Verwaltungs-
beamter war. Der König hatte den Kaiser aufgefordert, mich zur Teilnahme
an dieser Fahrt einzuladen, worauf der Kaiser mit Freude einging. Die
Unterredung ä trois war ungezwungen und durchaus freundlich. Ich weiß
nicht, wie der Kaiser auf die Idee kam, den König zu fragen, wie es Eckard-
stein ginge. Der König antwortete mit verächtlicher Betonung und einer
wegwerfenden Handbewegung, daß er nicht wisse, „what became of that
fellow‘. Als der Kaiser den König erstaunt frug, ob er etwa Eckardstein