GATTE EINER KATHOLIKIN 13
dem alten „und stupiden“ Weibe zusah, das Reieig zu seinem Scheiter-
haufen herbeitrug. „Sancta simplicitas!“
Am Hofe wurde mir namentlich von den Damen der Kaiserin die Auf-
hebung des $2 nicht wenig verargt. Wenn ich im Laufe des südafrikanischen
Krieges zahlreiche anonyme und nicht anonyme Zuschriften erhalten hatte,
in denen ich als „Knecht Englands“ und „Verräter an der deutschen Sache“
geschmäht und bedroht wurde, so kam die Reihe jetzt an meine liebe, ganz
unpolitische Frau, der während Wochen hitzige Protestanten in meist
anonymen Briefen und Postkarten, bisweilen unter wüsten Drohungen,
vorwarfen, daß sie, als Katholikin, das Vaterland und ihren Gatten an die
S. J. verriete. Auch diese Zuschriften wanderten in den Papierkorb. Aus
der Umgebung der Majestäten schrieb mir ein freundlich gesinnter Flügel-
adjutant: „Während der gestrigen Abendtafel meinte eine der Damen Ihrer
Majestät seufzend: ‚Der Herr Reichskanzler hat eine katholische Frau,
einen katholischen Adjutanten, den Erbprinzen von Salm, auch sein Privat-
sekretär, der Hofrat Schefer, soll katholisch sein. Jedenfalls ist sein Haus-
freund, der Prinz Franz Arenberg, ein eifriger Katholik, der die Frau
Reichskanzlerin jeden Sonntag zur Messe in die Hedwigskixche geleitet.
Wo soll das hinführen ”® S. M. antwortete nichts, I. M. schwieg auch, sah
aber betrübt aus.“ Ich ließ mich durch solche Mischung von Bosheit und
Einfältigkeit nicht irremachen. Ich begreife die Abneigung und das Miß-
trauen, das in weiten evangelischen Kreisen gegen die Societas Jesu be-
steht. Sehen doch auch viele Katholiken mit gleichen Empfindungen auf
diesen Orden. Niemand hat an den Jesuiten eine vernichtendere Kritik
geübt als in seinen unsterblichen Briefen „Les Provinciales‘‘ Blaise Pascal,
einer der größten katholischen Geister aller Zeiten. Es ist ein Katholik, der
gesagt hat: „O vos, qui cum Jesu itis, non ite cum Jesuitis.‘“ Es ist ein
katholischer Tiroler, Hermann Gilm, der wie kaum ein anderer in seinen
Jesuitenliedern die Geißel über diesem Orden geschwungen hat. Ich möchte
meine Ansicht dahin zusammenfassen, daß in ganz überwiegend pro-
testantischen Ländern wie England und Amerika die Jesuiten wenig
Schaden anrichten können. Daß sie in überwiegend oder rein katholischen
Ländern durch Leidenschaftlichkeit, Kurzsichtigkeit und Herrschsucht viel
zu verderben vermögen, zeigt die polnische, die österreichische und die
französische Geschichte. Bei einem Volk wie dem deutschen, wo sich zwei
Konfessionen annähernd gleich stark gegenüberstehen, hat der Orden nicht
immer zur Verträglichkeit zwischen den Konfessionen beigetragen. Um so
mehr wird es an dem evangelischen Teil der Bevölkerung sein, in groß-
zügiger Toleranz, aber auch mit treuem Festhalten an seinem Bekenntnis,
die Rechte und die Stellung der evangelischen Kirche zu verteidigen. Ich
möchte ausdrücklich betonen, wie ich weit davon entfernt bin, zu bestreiten,
Widerstand
in protestanti-
schen Kreisen