DIE KRONE EX NEXU 313
fürchte ich, weil es Holstein nicht auf 10000 Mark ankäme, wenn er dafür
einen einwandfreien Zeugen bekäme. Zu welcher Macht Harden resp.
Holstein durch die erfolgten Verabschiedungen (Kuno Moltke, beide
Hohenau) stiegen, ist ganz unerhört. Und dennoch finde ich es absolut
richtig, daß Du diese fabelhaften Fehler geschehen ließest, ohne eine Krise
zu machen. Du hättest nur die Stellung der Generäle bis ins Unendliche
gesteigert, und wir hätten leicht, nachdem ihr Einfluß so gewachsen ist,
wie die letzten Vorgänge zeigen, einen Reichskanzler Hülsen haben können.
Deine Leitung durch die Stromschnellen ist die einzig mögliche und eine
patriotische Tat, wenn Du sie vollbringst. Du siehst hieraus, geliebter
Bernhard, wie ich die Lage auffasse und wie es mir darum ganz fern lag,
Deine Mitarbeit an meinem letzten Akt als Kränkung zu empfinden. Ich
danke Dir auch von Herzen für die Art, wie du den treuen Axel benütztest.
Was Du in alter Freundschaft in der gefährlichsten Lage für mich getan
und tust, weiß ich durch Axel Varnbüler und meinen Vetter August Eulen-
burg und werde es Dir niemals vergessen.“
Dem Kaiser schrieb ich, einige Tage nachdem ich seine Order erhalten
hatte, Philipp Eulenburg sei schwerkrank. Er habe mir telegraphiert, daß
er völlig aus dem Dienst scheiden wolle, aus dem er bis dahin mit Wartegeld
beurlaubt gewesen war. Ich fügte hinzu: In diesen peinlichen Angelegen-
heiten müßten wir darauf halten, daß einerseits die Krone ex nexu gehalten
und aus der Sache ganz herausgebracht würde, daß aber auch andererseits,
soweit dies unsere Gesetzgebung zuließe, nicht zur Freude des Auslands
zu viel Skandal öffentlich breitgetreten würde. Über jedes Lob erhaben
war die unerschütterliche Treue und unbegrenzte Liebe, mit der während
dieser furchtbaren Prüfung die Fürstin Augusta Eulenburg zu ihrem Manne
hielt. Sie hat nie an ihm gezweifelt, ihn immer und gegen jeden verteidigt,
ihn bis zu seinem Tode mit Liebe und Zärtlichkeit umgeben. Nicht mit Un-
recht hatte Eulenburg sie in den Gedichten seiner Jugend mit den stillen
Seen ihrer schwedischen Heimat verglichen. Alles in ihr war klar und rein.
Das Unechte und Unrechte lag ihr nicht nur fern, sondern war ihr unver-
ständlich. Als Philipp Eulenburg im Herbst 1921 starb, schrieb sie an meine
Frau, die ihr kondoliert hatte, sie habe nur noch den einen Wunsch, bald
mit ihrem geliebten „‚Märtyrer‘‘ vereinigt zu sein, dort, wo Gottes „flam-
mende Gerechtigkeit‘ alles erhellen werde, was jetzt dunkel sei. Mein
Bruder Alfred, der Philipp Eulenburg von Jugend auf nahestand, mit ihm
in Straßburg studiert und die Referendarszeit gemeinsam mit ihm in Neu-
Ruppin verlebt hatte, schrieb mir im Winter 1907/1908: „Alles kommt dar-
auf an, daß Philipp Eulenburg, wenn er auch in noch so jammervollem
körperlichem und seelischem Zustande ist, seinen Prozeß, der ja, wie ich in
den Zeitungen lese, angestrengt ist, klar und unzweideutig durchficht und