Ich hielt Seiner Majestät vor, ein wichtiger und einflußreicher Teil der deut-
schen Presse habe das Vorgehen der deutschen Regierung ganz anders ausgelegt
und es deshalb überschwenglich gebilligt, weil diese Blätter darin eine starke Tat
statt bloßer Worte sähen und ein entscheidendes Zeichen, daß Deutschland noch-
mals in den Gang der Ereignisse in Marokko einzugreifen im Begriff sci. „Is
gibt“, entgegnete der Kaiser, „Unheilstifter in beiden Ländern. Ich will ihre
Fähigkeit, falsch darzustellen, nicht gegeneinander abwägen. Aber die Tatsachen
sind so, wie ich festgestellt habe. Nichts in Deutschlands neuerlichem Vorgehen in
Marokko steht in Gegensatz zu der ausdrücklichen Erklärung meiner Friedensliebe,
wie ich in der Guildhall und in meiner letzten Rede in Straßburg sie gegeben habe.“
Seine Majestät ging dann nochmals auf den Punkt ein, der ihn am meisten
beschäftigt, auf die Beweise seiner Freundschaft für England. „Ich habe mich‘,
sagte er, „auf die Reden bezogen, in denen ich, wie es ein Souverän irgend kann,
meinen guten Willen verkündet habe. Aber da Handlungen lauter sprechen als
Worte, lassen Sie mich auch mich auf meine Handlungen bezichen. Im allgemeinen
glaubt man in England, während der Dauer des Südafrikanischen Kriegs sei
Deutschland feindlich gesinnt gewesen. Zweifellos war die öffentliche Meinung in
Deutschland den Engländern feindlich — bitter feindlich. Die Presse war feind-
lich; die private Meinung war es. Aber wie ist es mit dem offiziellen Deutschland ?
Lassen Sie meine Kritiker sich fragen, was die europäische Reise der Buren-
Delegierten, die eine Intervention Europas zu erreichen strebten, zu einem plötz-
lichen Stillstand und dann zu völligem Zusammenbruch gebracht hat ? Sie wurden
in Holland gefeiert; Frankreich bewillkommnete sie mit Begeisterung. Sie wollten
nach Berlin kommen, wo das deutsche Volk sie mit Blumen bekränzt haben
würde. Aber als sie baten, von mir empfangen zu werden, habe ich das abgelehnt.
Die Agitation war unmittelbar darauf tot, und die Delegierten kehrten mit leeren
Händen zurück. Handelt, frage ich, so ein heimlicher Feind ?
Und ferner: Als der Kampf auf der Ilöhe war, wurde die deutsche Regierung
von denen Frankreichs und Rußlands eingeladen, sich mit ihnen zu verbinden
und England aufzufordern, dem Krieg ein Ende zu machen. Der Moment, so
sagten sie, sei da, nicht nur die Burenrepubliken zu retten, sondern England bis
in den Staub zu demütigen. Was war meine Antwort ? Ich sagte, daß Deutschland,
weit entfernt davon, an irgendeinem verabredeten Vorgehen Europas zum Druck
auf England und zu dessen Erniedrigung teilzunehmen, immer eine Politik ver-
meiden müsse, die es in Verwicklungen mit einer Seemacht wie England bringen
könne. Die Nachwelt wird eines Tags den genauen Wortlaut des Telegramms —
es liegt jetzt in den Archiven des Windsor-Schlosses — lesen können, worin ich
den Souverän Englands von meiner Antwort an die Mächte, die damals es zu
stürzen suchten, unterrichtet habe. Engländer, die jetzt mich beleidigen, indem
sie mein Wort anzweifeln, sollten wissen, wie ich in der Stunde ihres Mißgeschicks
gehandelt habe.
Und das war nicht alles. Gerade während Ihrer schwarzen Woche, im Dezen-
ber 1899, als ein Unglück nach dem andern in rascher Folge kam, empfing ich
einen Bricf von der Königin Victoria, meiner verchrten Großmutter, der in Sorge
und Kummer geschrieben war und deutliche Spuren der Angst trug, die an ihrem
Geist und an ihrer Gesundheit zehrte. Ich schickte ihr sofort eine mitfühlende