Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

REDE BÜLOWS 367 
Auch die Auslassungen des Freisinnigen Wiemer waren weder kalt noch 
warın. 
Nach Hermann Hatzfeldt ergriff ich das Wort*. Ich glaube sagen zu 
dürfen, daß ich im Parlament immer Verständnis für das gehabt habe, 
was die Italiener das Ambiente nennen, d. h. die Stimmung der Umgebung, 
in der man spricht, die Atmosphäre, die im Sitzungssaal herrscht. Ich 
fühlte, daß ich sehr ernst und sehr offen sprechen müsse, wie das ührigens 
durchaus meinem inneren Empfinden entsprach. Ich hatte vor allem die 
Pflicht, die durch die unbesonnenen kaiserlichen Äußerungen im Auslande 
hervorgerufenen Verstimmungen zu beruhigen, das in England, Rußland, 
Frankreich, Japan neugeweckte Mißtrauen zu besänftigen. Ich führte aus, 
daß das, was der Kaiser über seine Verhinderung einer russisch-französi- 
schen Intervention im Burenkrieg erzählt habe, eine längst bekannte 
Sache sei. Von einer Enthüllung könne keine Rede sein. Der Kaiser habe 
allerdings die Farben zu stark aufgetragen. Ich stellte auch die Geschichte 
mit dem Feldzugsplan richtig. Es habe sich nicht um einen ausgearbeite- 
ten und detaillierten Feldzugsplan, sondern um einige „rein akademische 
Gedanken“, um „Aphorismen“ gehandelt. Als mich bei diesen Worten 
das Gelächter der Sozialdemokraten unterbrach, erinnerte ich daran, daß 
wir uns in einer ernsten Debatte befänden. Die Dinge, über die ich spräche, 
seien ernster Natur und von großer politischer Tragweite. Ich bat, 
mich ruhig anzuhören, was dann auch geschah. Der Chef des General- 
stabs, General von Moltke, und sein Vorgänger, General Graf Schlieffen, 
hätten erklärt, daß der Generalstab zwar über den Burenkrieg, wie über 
jeden großen oder kleinen Krieg, dem Kaiser Vortrag gehalten habe. Beide 
hätten mir aber gleichzeitig versichert, daß der deutsche Generalstab niemals 
einen Feldzugsplan oder eine ähnliche auf den Burenkrieg bezügliche Arbeit 
des Kaisers geprüft oder nach England weitergegeben habe. Diese meine 
Feststellung entsprach durchaus dem Sachverhalt. Tatsächlich war alles, 
was Wilhelm II. seinen englischen Freunden über seinen persönlichen An- 
teil an der Besiegung der armen Buren erzählt hatte, nur Geflunker ge- 
wesen. Ich führte weiter aus, daß manche Ausdrücke in dem Artikel des 
„Daily Telegraph‘“ nicht glücklich gewählt gewesen wären. „Das gilt 
zunächst“, erklärte ich unter allseitigem und schr lebhaftem Bravo, „von 
der Stelle, wo der Kaiser gesagt haben soll, die Mehrheit des deutschen 
Volks sei England feindlich gesinnt. Zwischen Deutschland und England 
haben Mißverständnisse stattgefunden, ernste, bedauerliche Mißverständ- 
nisse. Aber ich weiß mich einig mit diesem ganzen hohen Hause in der Auf- 
fassung, daß das ganze deutsche Volk auf der Basis gegenseitiger Achtung 
* Fürst Bülows Reden, Große Ausgabe III, 134ff.; Reclam-Ausgabe V, 82T.
	        
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