Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

368 DER KAISER WIRD SICH ZURÜCKHALTEN 
friedliche und freundliche Beziehungen zu England wünscht, und ich kon- 
statiere, daß sich die Redner aller Parteien heute in gleichem Sinne aus- 
gesprochen haben. Die Farben sind auch zu stark aufgetragen an der Stelle, 
die Bezug hat auf unsere Interessen im Pazifischen Meer. Sie ist in einem für 
Japan feindlichen Sinne ausgelegt worden. Mit Unrecht! Wir haben im 
Fernen Osten nie an etwas anderes gedacht als dies: für Deutschland einen 
Anteil an dem Handel Ostasiens bei der großen wirtschaftlichen Zukunft 
dieser Gebiete zu erwerben und zu behaupten. Wir denken nicht daran, 
uns dort auf maritime Abenteuer einzulassen. Aggressive Tendenzen liegen 
dem deutschen Flottenbau im Stillen Ozean ebenso fern wie in Europa. 
Im übrigen stimmt Seine Majestät der Kaiser mit dem verantwortlichen 
Leiter der auswärtigen Politik völlig überein in der Anerkennung der hohen 
politischen Bedeutung, die sich das japanische Volk durch politische Tat- 
kraft und militärische Leistungsfähigkeit errungen hat. Die deutsche Politik 
betrachtet es nicht als ihre Aufgabe, dem japanischen Volk den Genuß und 
den Ausbau des Erworbenen zu schmälern.“ 
Nachdem ich in dieser Weise die übelsten Äußerungen Seiner Majestät 
nach Möglichkeit glattgebogen und eingerenkt hatte — noch mehr, ich 
wiederhole es, noch viel mehr im Hinblick auf das Ausland, auf die Welt, 
als auf den Reichstag —, ging ich, als ich fühlte, daß sich die Gemüter 
unter dem Eindruck meiner Ausführungen allmählich einigermaßen be- 
ruhigt hatten, zu einer direkten Apologie des Kaisers und seiner Persönlich- 
keit über. „Dem Kaiser“, rief ich dem Reichstag zu, „‚geschieht schweres 
Unrecht mit jedem Zweifel an der Reinheit seiner Absichten, an seiner 
idealen Gesinnung und seiner tiefen Vaterlandsliebe.‘“ Und nun sprach 
ich die Worte, die, nachdem der Sturm vorüber war, von Ohrenbläsern und 
Speichelleckern, von Ränkeschmieden und Achselträgern benutzt wurden, 
um die Eigenliebe des Kaisers gegen mich aufzustacheln, die Worte, die 
ich damals mit voller Überzeugung gesprochen habe und von denen ich 
noch heute überzeugt bin, daß sie unbedingt notwendig waren, um nicht 
nur den Reichstag, sondern auch das deutsche Volk zu beruhigen und ihm 
wieder Vertrauen einzuflößen, um zwischen Volk und Kaiser gegenseitiges 
Verständnis und Eintracht zu schaffen: „Meine Herren, die Einsicht, daß 
die Veröffentlichung seiner in England geführten Gespräche die von Seiner 
Majestät dem Kaiser gewollte Wirkung nicht hervorgerufen, in unserem 
Lande aber tiefe Erregung und schmerzliches Bedauern verursacht hat, 
wird, diese feste Überzeugung habe ich in diesen Tagen gewonnen, Seine 
Majestät den Kaiser dahin führen, ferner auch in Privatgesprächen jene 
Zurückhaltung zu beobachten, die im Interesse einer einheitlichen Politik 
und für die Autorität der Krone gleich unentbehrlich ist.“ Hier erscholl, 
namentlich auf der rechten Seite des Hauses, lebhafter Beifall. „Wäre es
	        
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