DIE WARNUNG 369
nicht so“, so fügte ich unter anhaltendem Beifall der Konservativen und der
Nationalliberalen hinzu, ,‚so könnte weder ich noch einer meiner Nachfolger
die Verantwortung tragen.‘ Als der Artikel des „Daily Telegraph‘ er-
schienen sei, dessen verhängnisvolle Wirkung mir nicht einen Augenblick
zweifelhaft sein konnte, hätte ich mein Abschiedsgesuch eingereicht.
Dieser Entschluß sei geboten gewesen, er sei mir nicht schwer geworden.
Der ernstete und schwerste Entschluß, den ich in meinem politischen Leben
gefaßt hätte, sei, dem Wunsch des Kaisers folgend, im Amte zu bleiben.
Ich hätte mich hierzu nur entschlossen, weil ich es für ein Gebot der poli-
tischen Pflicht ansehe, gerade in dieser schwierigen Zeit Seiner Majestät
dem Kaiser und dem Lande weiter zu dienen. Auch hier erscholl lebhafter
und allseitiger Beifall. Wie lange mir das möglich sein werde, stehe dahin.
Ich wolle aber noch eins sagen: In einem Augenblick, wo vieles in der Welt
wieder einmal im Flusse sei, wo es darauf ankomme, unsere Stellung nach
außen zu wahren und, ohne uns vorzudrängen, mit ruhiger Festigkeit
unsere Interessen zur Geltung zu bringen, wo die Gesamtlage. ernsteste
Aufmerksamkeit erheische, dürften wir uns vor dem Ausland nicht klein-
mütig zeigen, dürften wir ein Unglück nicht zur Katastrophe machen. Ich
wolle mich jeder Kritik der Übertreibungen enthalten, die wir in diesen
Tagen erlebt hätten. Gewiß dürfe keiner die Warnung vergessen, welche die
Vorgänge dieser Tage uns allen gegeben hätten. Ich betonte die Worte
„keiner“ und „allen“. Aber es sei keine Ursache, eine Fassungslosigkeit
zu zeigen, die bei unseren Gegnern den Anschein erwecken müsse, als wäre
das Reich im Innern und nach außen gelähmt. Ich schloß mit den Worten:
„An den berufenen Vertretern der Nation ist es, die Besonnenheit zu zeigen,
die dem Ernst der Zeit entspricht. Ich sage es nicht für mich, ich sage es für
das Land. Die Unterstützung hierbei ist keine Gnade, sie ist eine Pflicht, der
sich dies hohe Haus nicht entziehen wird.“
Als ich unter starkem Beifall schloß, fühlte ich, daß die Partie gewonnen
war.
Nach mir sprach der Zentrumsführer Hertling, ruhig und gemessen.
Er stimmte mit Bassermann darin überein, daß die veröffentlichten Tat-
sachen weit wichtiger seien als die begangenen Kanzleiversehen. Trotz der
damals zwischen der Zentrumspartei und mir bestehenden Spannung er-
klärte Herr von Hertling: Der Reichskanzler Fürst Bülow habe „in der
loyalsten Weise‘ die Verantwortung übernommen sowohl für die Versehen
seiner Untergebenen als für die unbesonnenen Äußerungen des unverant-
wortlichen Kaisers. Der Sinn und die Bedeutung für die Ministerver-
antwortlichkeit liege aber darin, daß es für die verantwortliche Stelle ein
„Bis hierher und nicht weiter!“ gebe und geben müsse. Er nehme deshalb
auch an, daß ich meine Demission eingereicht habe nicht wegen der
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