Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

Kaiserliches 
Interview mit 
dem Ameri- 
kaner Hale 
374 EIN NEUER SKANDAL ERSTICKT 
dagewesenen Schärfe zu verbreiten. Englische Blätter erklärten nach wie 
vor, daß sie in den kaiserlichen Freundschaftsbeteuerungen für Groß- 
britannien lediglich eine wenig würdige Bemühung um die englische Gunst 
sähen. Im übrigen könnten die Auslassungen des Kaisers seinen Gegnern 
nur erwünscht sein: Frankreich und Rußland würden wegen seiner Mit- 
teilungen über ihre Interventionspläne im Burenkrieg jedes Vertrauen in 
die deutsche Diskretion verlieren. Japan werde aufs neue mißtrauisch 
werden. Die angebliche Ausarbeitung des Feldzugsplanes sei einfach un- 
glaublich, geradezu eine England von Wilhelm II. zugefügte Beleidigung. 
Wilhelm II. als der wahre Sieger im Burenkrieg wurde auch in kleinen 
englischen Blättern verhöhnt. Gleichzeitig hieß es, daß Lord Roberts tief 
beleidigt wäre und nur mit Mühe davon abgehalten würde, den Schwarzen 
Adlerorden zurückzuschicken, den ihm sieben Jahre früher der Kaiser zum 
großen Unbehagen der damals burenfreundlichen deutschen öffentlichen 
Meinung verliehen hatte. Große französische Blätter ironisierten die per- 
sönliche Politik des Deutschen Kaisers als phantastische Romantik. In 
Rußland erklärte das größte und einflußreichste russische Blatt, die „Nowoje 
Wremja“, die Russen würden an diese Worte des Deutschen Kaisers nicht 
glauben, wenn sie nicht gedruckt vor ihnen lägen. Der Kaiser habe Ruß- 
land und Frankreich gegenüber „taktlos und perfide““ gehandelt. Die 
italienische Presse fällte ebenso harte Urteile über die kaiserliche Politik 
und Regierungsweise: Wilhelm II. scheine es darauf anzulegen, das 
Deutsche Reich mit aller Welt zu verfeinden. Die japanische Presse meinte, 
daß die Bemerkungen des Kaisers über den Fernen Osten nutzlos und schäd- 
lich seien. Die Japaner begriffen nicht, warum der Kaiser Vorbereitungen 
gegen Japans Fortschritte und gegen Chinas Erwachen treffe. 
Namentlich und vor allem auf England war die Wirkung der von Wil- 
helm II. in England mit Engländern geführten Gespräche die eines Hagel- 
schlags im Frühsommer. Und sie wäre noch niederschmetternder geworden, 
wenn es mir nicht gelungen wäre, die in Amerika eben in Gang befindliche 
Veröffentlichung eines Interviews zu verhindern, das Wilhelm II. dem 
amerikanischen Journalisten Hale gewährt hatte und das in krassem Gegen- 
satz zu seinen Auslassungen in Highcliffe stand. Derselbe Kaiser, der in so 
stürmischer Weise England und die Engländer seiner treuen Freundschaft 
versichert hatte, sprach gegenüber dem Amerikaner gerade umgekehrt. 
Er hatte ihn vor der englischen Tücke und den feindlichen Absichten der 
Engländer gegen Amerika gewarnt und den Amerikanern geraten, bei 
Deutschland Schutz gegen das perfide Albion zu suchen. Es gelang, den 
wohlmeinenden Besitzer der amerikanischen Zeitschrift „Century Maga- 
zine“‘, der dies Interview erworben hatte, zu bewegen, auf die Veröffent- 
lichung zu verzichten. Um dieselbe Zeit meldete mir der deutsche General-
	        
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