Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

380 „EINVERSTANDEN WILHELM IR.“ 
„Das ist ja wunderschön“, meinte schon sichtlich erleichtert der Kaiser- 
Er schien aber immer noch zu erwarten, daß ich für mein Verbleiben im 
Amt noch eine ernste, böse Bedingung stellen würde. 
Nach kurzem, von beiden Seiten beobachtetem Schweigen frug der 
Kaiser, der offenbar diesen Punkt in seinem Innern schon eingehend er- 
wogen hatte: „Verlangen Sie eine Proklamation an das Volk? Oder eine 
Kabinettsorder an Sie und für Sie? Ich bin zu allem bereit.‘“ Er sagte das 
in liebenswürdigem Ton. Ich erwiderte, daß ich meinem allergnädigsten 
Herrn keinerlei Kapitulation oder gar ein unwürdiges Pater peccavi zu- 
muten würde. Ich schlüge vor, in der „Norddeutschen Allgemeinen Zei- 
tung“ zu sagen, daß Seine Majestät der Kaiser mir die Möglichkeit geboten 
hätte, ihm die durch die Veröffentlichung des „Daily Telegraph‘ hervor- 
gerufene Erregung zu schildern und meine Behandlung der Reichstags- 
interpellation zu motivieren. Im Anschluß hieran könne gesagt werden, 
daß der Kaiser die Wahrung der verfassungsmäßigen Verantwortlichkeiten 
im Reich und der Stetigkeit der Reichspolitik als seine Pflicht betrachte 
und mich nach wie vor mit seinem Vertrauen beehre. Ich hatte schon am 
vorhergehenden Tage einen in diesem Sinne gehaltenen Entwurf aufgesetzt, 
der wie folgt lautete: „In der dem Reichskanzler gewährten Audienz hörte 
Seine Majestät der Kaiser und König einen mehrstündigen Vortrag des 
Fürsten von Bülow. Der Reichskanzler schilderte die im Anschluß an die 
Veröffentlichung des ‚Daily Telegraph‘ im deutschen Volk hervorgetretene 
Stimmung. Er erläuterte die Haltung, die er in den Verhandlungen des 
Reichstags über die Interpellationen eingenommen hatte. Seine Majestät 
nahm die Darlegungen und Erklärungen des Reichskanzlers mit großem 
Ernst entgegen und gab Seinen Willen dahin kund: Unbeirrt durch die von 
Ihm als ungerecht empfundenen Übertreibungen der öffentlichen Kritik, 
erblicke Er Seine vornehmste Kaiserliche Aufgabe darin, die Stetigkeit der 
Politik des Reichs unter Wahrung der verfassungsmäßigen Verantwort- 
lichkeiten zu sichern.“ Der Kaiser stimmte sofort zu und mit Empressement. 
Er schien geradezu erstaunt, so gut davonzukommen. Als ich ihm das 
Entrefilet zum zweitenmal vorlas, fügte ich im ersten Absatz hinter dem 
Wort „Stimmung“ noch die Worte ein: „und deren Ursachen“. Mit dem 
von mir vorgeschlagenen Schluß der Verlautbarung war der Kaiser nach 
seiner Versicherung besonders einverstanden. Er lautete: „Demgemäß 
billigte Seine Majestät der Kaiser und König die Ausführungen des Reichs- 
kanzlers im Reichstage und versicherte den Fürsten von Bülow Seines fort- 
dauernden Vertrauens.“ Der Kaiser bestand darauf, auf den Entwurf dieses 
Artikels sein „Einverstanden Wilhelm I. R.“ zu setzen, obwohl ich dies für 
nicht erforderlich erklärte. „Ich bin ja mit jedem Wort einverstanden“, 
aneinte er, „und das soll bei den Akten bleiben und in den Akten stehen.“
	        
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