DIE DREI MONARCHIEN 403
freuen, österreichische und ungarische Würdenträger und Staatsmänner
zu sehen. Ein Zusammentreffen mit Achrenthal sei für ihn ausgeschlossen.
Aehrenthal hatte gewünscht, daß nach dieser schroffen Ablehnung seiner
Person sein allerhöchster Herr auf den Besuch des russischen Großfürsten
verzichten möge. Der alte Kaiser Franz Josef aber wollte den diplomatischen
Streit zwischen Österreich und Rußland nicht zu einem Zerwürfnis zwischen
den beiden Höfen und Dynastien ausarten lassen und empfing den Groß-
fürsten mit gewohnter ritterlicher Courtoisie. u
Über das österreichisch-russische Verhältnis hatte bei unserem letzten
Zusammensein Iswolski gemeint, er würdige nach wie vor alles, was ich
ihm oft genug über die schweren Gefahren geragt hätte, die jeder ernstliche
Konflikt zwischen den drei Kaiserreichen für den Bestand der monarchi-
schen Ordnung und der Dynastien in sich berge. Das monarchische und
konservative Rußland habe an und für sich gar kein Interesse an einem
Krieg mit der habsburgischen Monarchie. Es habe bisher nie einen Krieg
zwischen Österreich und Rußland gegeben trotz mancherlei Interessen-
gegensätze und gelegentlicher Zerwürfnisse. Was im achtzehnten und
neunzehnten Jahrhundert möglich gewesen sei, nämlich die Vermeidung
einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Rußland und Österreich,
sollte auch im zwanzigsten Jahrhundert gelingen. Die Voraussetzung aber
sei, daß Österreich nicht versuche, Rußland ganz von der Balkanhalbinsel
zu verdrängen. Fürst Bismarck habe lange empfohlen, einen Modus
vivendi zwischen Rußland und Österreich auf der Basis zu suchen, daß
Rußland in Bulgarien, Österreich in Serbien freie Hand erhalte, Inzwischen
sei erst durch die Battenberg-Episode, dann durch die Wahl des Prinzen
Ferdinand von Koburg zum Fürsten von Bulgarien der österreichische
EinAuß in Sofia weit stärker als der russische geworden. Ähnlich stünde es
in Bukarest, wo man sich mehr nach Berlin und Wien als nach Petersburg
orientiere. Damit wäre die alte Bismarcksche Lösung hinfällig geworden.
Jedenfalls dürfe Österreich, nachdem es jetzt einen eklatanten Erfolg in
der bosnischen Frage erzielt habe, Serbien nicht weiter bedrängen. Ne bis
in idem! Serbien habe auf der ganzen Linie nachgegeben, es sei gedemütigt,
es sei genügend gestraft worden. Weitere Fußtritte würden vom Übel sein.
Österreich-Ungarn würde sogar klug daran tun, in wirtschaftlichen Fragen
den Serben einige Konzessionen zu machen. Würde ein kleiner llafen für
Serbien an der adriatischen Küste wirklich eine Gefahr für die große öster-
reichisch-ungarische Monarchie sein? Iswolski sagte mir wörtlich: „Si
j’avais des arriöre-pensces, je me r@jouirais des maladresses des Autrichiens
et des Hongrois vis-a-vis des Serbes qu’on pousse ainsi dans nos bras.
Mais dans l’interet de la paix europeenne et des grandes dynasties je vou-
drais que l’Autriche soit un peu plus habile.““ Iswolski schloß unsere letzte
26
Österreichisch-
russische
Beziehungen