„EINE GROSSE NARRHEIT" 27
der König, er sähe nicht ein, wie sich die Lage für Rußland verbessern solle.
„Auf russische Erfolge ist weder zu Wasser noch zu Lande zu rechnen, und
das Klügste, was die Russen tun können, wäre, baldmöglichst und zu mög-
lichst akzeptablen Bedingungen Frieden zu schließen.‘ Der König kam
auch auf die von Kaiser Wilhelm proklamierte „gelbe Gefahr“ zu sprechen
und meinte: er könne im Gegensatz zu seinem Neflen und, wie er annehmen
möchte, in Übereinstimmung mit mir eine solche nicht anerkennen. „Die
Japaner sind ein intelligentes, tapferes und ritterliches Volk, ebenso zivili-
siert wie die Europäer, von denen sie nur die Hautfarbe unterscheidet. Es
wäre bedauerlich, wenn die Besorgnis vor dem nach meiner Ansicht gar
nicht vorhandenen Yellow peril die deutsche Politik in einem Japan feind-
lichen Sinn influenzieren würde.“ Ich entgegnete dem König mit Be-
stimmtheit, daß wir in dem Östasiatischen Krieg auch weiter eine neutrale
und loyale Haltung beobachten würden. Wir dächten nicht daran, uns in
diesen Konflikt einzumischen.
Als ich dann dem König meinen Dank für seinen Toast vom vorher-
gehenden Tage aussprach, bemerkte der hohe Herr, daß ihm ein friedliches
und freundliches Verhältnis zu Deutschland aufrichtig am Herzen liege.
„Deshalb bin ich Ihnen auch persönlich dankbar für den Mut und für die
Festigkeit Ihrer Haltung während des Burenkriegs. Sie hatten es damals
nicht leicht. Es ist ein Unglück, daß das deutsche und das englische Volk
sich nicht besser verstehen. Es ist das eigentlich schwer zu begreifen, denn
der einzelne Deutsche, der nach England kommt, fühlt sich dort sehr wohl
und schätzt die großen Eigenschaften des englischen Volks. Umgekchrt sind
alle Engländer, die in Deutschland leben, voll Anerkennung für die Tüchtig-
keit und Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes auf allen Gebieten, in der
Wissenschaft, in der Kunst, neuerdings auch in Handel und Industrie.“ Ich
erlaubte mir lächelnd einzuwerfen: „With the exception of Mr. Saunders.“
Es war dies der damalige Korrespondent der „Times“, der, wie ich dies
schon 1899, bei meinem damaligen Besuch in England, Mr. Balfour
auseinandergesetzt hatte, in der gehässigsten und perfidesten Weise
gegen uns hetzte. Der König stimmte mir mit Lebhaftigkeit bei. „An der
Verstimmung zwischen Deutschland und England“, äußerte er mit Nach-
druck, „trägt die Presse eine Hauptschuld. Ich will nicht untersuchen, ob
die deutsche Presse mehr sündigt oder die englische. Ich will nur feststellen,
daß zwischen Deutschland und England zwar leider viel Illfeeling vor-
handen ist, aber ganz gewiß kein unversöhnlicher Interessengegensatz.
Ein Zusammenstoß zwischen beiden Ländern wäre das größte Unglück,
das der Welt widerfahren könnte, und speziell für Europa. Es wird aber
nicht dazu kommen, da es nicht nur ein großes Unglück, sondern auch eine
große Narrheit (folly) sein würde. Man muß nur in Deutschland wie in