SCHEITERN BEDEUTET KRIEG 435
wie er seit nunmehr zwölf Jahren die auswärtigen Geschäfte des Landes
führe.
Admiral von Tirpitz verschließt sich nicht der bestehenden Gefahr,
auf die er auch schon früher aufmerksam gemacht und deren Erkenntnis
ihn auch veranlaßt habe, die Agitation des Flottenvereins unter General
Keim zu mißbilligen. Er sei auch für Herbeiführung einer Detente. In bezug
hierauf und auf die Darlegung des Herrn Reichskanzlers verweise er auf
seinen schriftlichen Bericht an Seine Durchlaucht vom 20. Januar 1909,
in dem er gemeldet habe, daß er durchaus der Ansicht des Herrn Reichs-
kanzlers sei, man dürfe eine erneute Anregung seitens Englands, in eine
vertragsmäßige Verminderung der beiderseitigen Flottenbauten einzu-
treten, nicht a limine ablehnen, schon allein aus dem Grunde nicht, um das
Odium einer solchen Abweisung von uns abzuhalten. In diesem Berichte
habe er, der Staatssekretär, weiter gemeldet, daß er sich schon Ende Sep-
tember 1908 bemüht habe, Seiner Majestät dem Kaiser diesen Standpunkt
klarzulegen. Sein in demselben Bericht gemachter Vorschlag der Grundlage
einer Relation von 3:4 würde den Engländern innerhalb zehn Jahren noch
immer nahezu die Stellung des Two Powers Standard, nämlich des Ver-
hältnisses 2:3—6 gegeben haben.
Staatsminister Bethmann hält eine Initiative unsererseits zu einer
Verständigung nur dann für ratsam, wenn wir einen bestimmten Vor-
schlag zu formulieren in der Lage wären. So weit seien wir aber in der
heutigen Beratung noch nicht gelangt. Vielleicht lasse sich eine gewisse
Detente mit England auch auf kolonialem Gebiete und in der Handels-
politik erreichen. Für letztere schienen ihm aber die Voraussetzungen,
nämlich der Übergang Englands zum Schutzzoll, zu fehlen.
Graf Metternich hält eine Verständigung über koloniale und handels-
politische Fragen für erwünscht, abernicht fürgenügend zur Beruhigung Eng-
lands. Diese sei allein durch eine Flottenverständigung zu erzielen. Sollte es
nicht möglich sein, eine Konzession an England durch Verlangsamung
unseres Bautempos in Schiffen zu machen? Admiral von Tirpitz weist
demgegenüber auf den Sprung hin, der im Jahre 1912 von vier auf zwei
Schiffe stattfinden wird.
Der Herr Reichskanzler stellt zur Erwägung, ob nicht Graf Metternich
ermächtigt werden soll, den Engländern gesprächsweise zu sagen, wir seien
bereit, in Flottenfragen mit uns reden zu lassen, dabei zwar seinerseits
keine konkreten Vorschläge zu machen, aber anzudeuten, daß unsere
Konzessionen in Verlangsamung des Bautempos und in Verzicht auf
Novellen bestehen könnten. Staatsminister von Bethmann wirft zu-
nächst die Frage ein, ob eine Verlangsamung des Bautempos ohne Ände-
rung des Flottengesetzes möglich sei. General von Moltke vertritt den
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