Gespräch
Bülows mit
Selborne
Die Kieler
Woche
32 DIE HAMBURGER POKALE
er jede Gelegenheit ergreifen würde, um allen zu sagen, wie gut und herz-
lich er in Hamburg empfangen worden wäre. Er wisse schr wohl, daß dieser
Empfang nicht nur seiner Person, sondern auch dem großen Reich gelte,
zu dessen Herrscher Gott ihn eingesetzt hätte. Ein kleiner Zwischenfall
trug dazu bei, den König in noch bessere Stimmung zu versetzen. Auf dem
Tisch standen einige prächtige Pokale, beste Goldschmiedekunst. Als der
König sie lobte, bat ihn der Bürgermeister, diese Becher zum Andenken an
Hamburg als Geschenk anzunehmen. Der König, der wie manche große
Souveräne kleine Geschenke liebte, akzeptierte mit Vergnügen und meinte
in der besten Laune, er würde bei dem Anblick dieses schönen Pokals
stets an das herrliche Hamburg denken und die guten Beziehungen, die
zwischen dieser großen Stadt und England seit Jahrhunderten bestünden.
Nach seiner Rückkehr von Hamburg sagte mir der König, er habe an Lord
Lansdowne, den damaligen Staatssekretär des Foreign Ofüce, telegraphiert,
daß er in einer englischen Stadt nicht besser hätte empfangen werden
können als in Hamburg.
Am 29. Juni hatte ich ein eingehendes Gespräch mit dem Earl of Sel-
borne. Er erzählte mir viel von Lord Salisbury, der wenige Monate vorher
auf seinem Schlosse Hatfield die Augen geschlossen hatte. Er hatte dem
großen englischen Staatsmann nahegestanden, ich glaube, er war sein
Schwiegersohn. Er sagte mir unter anderem, daß Salisbury immer für fried-
liche und freundliche Beziehungen zwischen Deutschland und England
gewesen wäre. Eine Allianz habe er freilich nicht gewollt, da er grundsätz-
lich ein Gegner von Bündnissen zwischen England und kontinentalen
Staaten gewesen wäre. Er sei, wie er dies einmal an unseren Botschafter
gesagt habe, der Meinung gewesen, daß das Meer und die englischen Kreide-
felsen für England die besten Alliierten wären. Auch habe er zwar die
Begabung von Chamberlain geschätzt, ihn aber auf dem Gebiet der aus-
wärtigen Politik für unruhig, stürmisch und unbesonnen gehalten und ihn
persönlich überhaupt nicht besonders gemocht. Lord Salisbury habe sich
noch während seiner letzten Krankheit vor seinen Söhnen und nächsten
Freunden dahin ausgesprochen, daß England trachten müsse, mit Deutsch-
land trotz gelegentlicher Friktionen auf einem friedlichen Fuße zu bleiben.
Ein Krieg zwischen beiden Völkern würde eine Katastrophe für unseren
Erdteil und weder für Deutschland noch für England ein Glück sein.
Wie glänzend war das Bild, das, von freundlicher Junisonne bestrahlt,
in jenen Tagen die Kieler Föhrde bot! Die „Kieler Woche‘, das Kieler
Leben und Treiben war die Schöpfung Kaiser Wilhelms II. Nirgends war er
zufriedener als dort. Es war für ihn, was das Schlachtfeld mit Kanonen-
gebrüll und wiehernder Rosse Getrabe für Napoleon, der Exerzierplatz von
Krasnoje Selo für Nikolaus I., die Gemsjagd für Kaiser Maximilian I.,