Wilhelm II.
in Korfu
470 DAS BLAUE MITTELMEER
ernstlich auf seinem Einfall und ließ durch Valentini an Monts schreiben:
er bedaure, ihn nicht zu seinem Kanzler machen zu können. Er brauche aber
jetzt einen Reichskanzler, der mit den innerpolitischen Verhältnissen in
Deutschland genauer vertraut wäre. Er behalte sich vor, den erprobten Rat
des Grafen Monts, auch wenn er nunmehr in den Ruhestand treten sollte,
oft in Anspruch zu nehmen. Er lüde Monts ein, den nächsten Winter in
Berlin zu verbringen. Erwartungsvoll erschien der inzwischen zur Dispo-
sition gestellte Anton Monts auf dem ersten Hofball des Jahres 1910. Der
Kaiser beglückte ihn mit einer langen und viel bemerkten Ansprache. Auf
dem zweiten Hofball sprach ihn der Kaiser nur kurz an, und auf dem dritten
nahm er gar keine Notiz mehr von ihm. Seitdem war seine Rolle ausgespielt.
Er hat den Abend seines Lebens in der Nähe von München zugebracht, wo
er sich sogar als abgetakelter Diplomat so unbeliebt machte, daß ihm auf
Weisung des würdigen und gütigen Prinzregenten Luitpold die Streichung
von der Liste der bei Hof vorgestellten Fremden angedroht werden mußte.
Ich kehre nach Venedig zurück, von wo Wilhelm II. am 15. April 1909
auf der „Hohenzollern“ nach Korfu abdampfte. Seitdem der Kaiser das
schöne Achilleion erworben hatte, konnte er esim Frühjahr kaum erwarten,
sich auf der Insel der Phäaken von den Anstrengungen des Berliner Winters
zu erholen. Im Frühjahr 1909 war die Sehnsucht nach den seligen Gestaden,
wo einst die königliche Jungfrau Nausikaa sich des vom Schwimmen
erschöpften edlen Dulders Odysseus erbarmte, besonders groß, denn die
Krisis vom vergangenen November hatte, wie der Kaiser mir wiederholt
versicherte, auch sein körperliches Befinden affıziert. Der Kaiser hatte schon
am 28. Februar 1909 ad marginem eines Pariser Berichts, in dem eine ge-
plante Mittelmeerreise des Königs Friedrich August von Sachsen erwähnt
wurde, wehmütig bemerkt: „Glücklicher Mann! Wäre ich erst so weit, daß
ich auf dem blauen Mittelmeer schwämme.“
Über die Stimmung und Tätigkeit Seiner Majestät während der vier
halkyonischen Wochen, die Wilhelm II. in Korfu verlebte, schrieb der
damalige Gesandte am griechischen Hofe, spätere Botschafter in Kon-
stantinopel, Freiherr von Wangenheim, an meinen Personaldezernenten
Flotow: „In aller Eile möchte ich meinen in einer halben Stunde abgehen-
den Berichten über Korfu noch einige erklärende Worte hinzufügen. Ich
schreibe an Sie, weil Sie den Reichskanzler eher sehen als die anderen
Herren. Was ich Ihnen sagen werde, ist natürlich streng vertraulich. Die
Berichte habe ich auf den mir dreimal wiederholten Wunsch des Kaisers
erstatten müssen, der durchaus wollte, daß der Reichskanzler über seine
Erfolge in Korfu unterrichtet werde. S. M. war in den letzten Tagen von so
berückender Liebenswürdigkeit gegen mich, daß er offenbar einen Zweck
damit verfolgt hat. Er wollte erreichen, daß ich ihm beim R.K. eine gute