482 ISWOLSKI GEGEN AEHRENTHAL
„ernstes und heiliges Wort‘, er würde weder gegenüber Frankreich noch
gegenüber England auf eine Zumutung eingehen, die eine Spitze gegen
Deutschland habe oder einer gegen Deutschland gerichteten Absicht ent-
springe. Er sei Kaiser Wilhelm in aufrichtiger und vertrauensvoller Freund-
schaft verbunden und werde dieser für ihn, seine Krone und sein Reich
überaus wertvollen Freundschaft unter allen Umständen treu bleiben. Er
bitte Kaiser Wilhelm, dieser seiner Versicherung unbedingten Glauben zu
schenken.
Iswolski war in seinen Gesprächen mit dem Kaiser Wilhelm begleiten-
den Staatssekretär des Äußern, Baron Schön, wieder auf die „Unzuver-
lässigkeit‘“‘ und die „Indiskretion“‘ des Barons Aehrenthal zurückgekommen,
den er wegen seiner Drohung, streng vertrauliche russische Schriftstücke
zu veröffentlichen, der Chantage beschuldigte. Aehrenthal habe es dadurch
persönlich für immer mit dem russischen Hofe verschüttet, der berechtigt
gewesen wäre, von dem langjährigen und mit russischen Gnadenbeweisen
und Auszeichnungen überschütteten österreichisch-ungarischen Botschafter
in St. Petersburg eine andere Handlungsweise zu erwarten. Gegenwärtig
seien die Beziehungen zwischen Rußland und Österreich-Ungarn dadurch
auf den Gefrierpunkt äußerlich halbwegs korrekter Formen gesunken.
Die russische Politik bleibe nichtsdestoweniger friedlich. Allerdings hoffe
und erwarte das St. Petersburger Kabinett, daß die deutsche Regierung
die österreichische Regierung eintretendenfalls von einem neuen aggressiven
Vorgehen auf der Balkanhalbinsel abhalten würde, da Rußland als slawische
und orthodoxe Macht ein solches nach seinen Traditionen nicht rubig hin-
nehmen könnte. Herr von Schön erwiderte auf Grund der ihm von mir
erteilten Weisungen, daß die Österreicher die Idee des Vormarsches auf
Saloniki aufgegeben hätten. In der Annexions-Frage habe es sich lediglich
um die formelle Erledigung einer im Prinzip längst entschiedenen Frage
gehandelt, zu deren praktischer Lösung äußere Umstände gedrängt hätten.
Weder bei dem österreichischen Vorgehen im Sandschak noch in der
Annexions-Frage hätten wir schiebend hinter Österreich-Ungarn gestanden.
Der russische Minister des Äußern ließ mir durch Schön die bestimmte
Versicherung übermitteln, daß sich das russisch-englische Einvernehmen
ausschließlich auf die bekannten zentralasiatischen Fragen erstrecke und
ein weiterer Ausbau desselben von ihm nicht beabsichtigt und niemals,
auch nicht in Reval, in Frage gekommen wäre. Er wolle weder die deutschen
wirtschaftlichen Interessen in Persien beeinträchtigen, zumal er deren maß-
volle Verfolgung von unserer Seite gern anerkenne, noch insbesondere
seinem Einvernehmen mit England eine Spitze gegen Deutschland geben.
Die Triple-Entente sei eine Erfindung der Presse. Kaiser Nikolaus und er
dächten nicht daran, sich durch eine feste Gruppenbildung die Hände für