496 BÜLOWS SECHZIGSTER GEBURTSTAG
adjutant von Plessen schrieb mir: „Klassischer Zeuge der unermüdlichen
Mühen und Sorgen, welche täglich aufs neue Ihren Schultern zugemutet
werden, zittere ich vor dem Gedanken, daß Sie eines Tages diese Bürde
abschütteln könnten. Wollte Gott, daß Ihr kommendes Lebensjahr dem
Kaiser und dem Vaterlande geweiht sei! Ich weiß sonst nicht, was werden
soll. Die Fürstin hat Sie so lange in der schweren Arbeit gestützt und
gepflegt, möchte ihre selbstlose Hingabe der guten Sache auch ferner bei-
stehen! Das sagen Sie ihr, bitte, mit meinen besten Empfehlungen.“ Der
Staatssekretär von Bethmann Hollweg, dem ich anläßlich der Annahme
des Vereins- und des Börsengesetzes meine Befriedigung ausgesprochen
hatte, telegraphierte mir mit gleichzeitigem Glückwunsch zu meinem Ge-
burtstag: „Die Mitarbeit an der durch Eure Durchlaucht neu orientierten
inneren Politik, welche zahllose, früher verbitterte Kräfte zu neuem Leben
erweckt und welche schließlich auch eine neue Brücke über den Main
schlagen wird, ist mir der größte Lohn.‘ Natürlich fehlte auch der auf-
dringliche Professor Schiemann nicht, den ich wieder einmal wegen eines
taktlosen Artikels hatte koramieren müssen. Er schrieb nach submissem
Glückwunsch zu meinem sechzigsten Geburtstag: „Ich bin mir bewußt,
mit größter Vorsicht vorzugehen, und weiß nicht, worin ich fehlgegriffen
babe. Aber das Bewußtsein, nicht zu nützen, sondern schädlich zu wirken,
wäre mir unerträglich! Aus dieser Empfindung heraus bin ich in stets glei-
cher Verehrung Eurer Durchlaucht ehrfurchtsvollst ergebener Theodor
Schiemann.“ Mein Pressechef Hammann wollte seinen Glückwunsch nicht
nur mündlich, sondern auch schriftlich darbringen und schrieb trotz der
Fährden und Nöte seines Meineidsprozesses: „Eure Durchlaucht mögen
überzeugt sein, daß ich mich heute wie immer unter denen befinde, die dem
Menschen wie dem Staatsmann von ganzem Herzen Glück und Segen und
neue Erfolge für des Reiches Wohl im reichsten Maße wünschen. Ein Jahr
voll großer Arbeit liegt hinter Ihnen. Sie haben das Schwerste standhaft und
treu im gottbegnadeten Vollbesitz Ihrer körperlichen, geistigen und see-
lischen Kräfte und Gaben überwunden. Möge Eure Durchlaucht im neuen
Jahr der alte bleiben, im Menschlichen wie im Politischen, im Mühen wie
im Erfolg. In dankbarer Verehrung Euer Durchlaucht gehorsamer Ham-
mann.“
Der langjährige Korrespondent der „Frankfurter Zeitung‘, August
Stein, der politisch nicht immer mit mir einverstanden war, mir mensch-
lich aber wohlwollte, hatte nicht lange vor meinem Geburtstag sein füuf-
undzwanzigjähriges Jubiläum als Mitarbeiter des großen Frankfurter
Blattes gefeiert. Aufeinen Glückwunsch, den ich ihm bei dieser Gelegeubeit
ausgesprochen hatte und in dem ich dem scherzhaften Erwarten Ausdruck
gab, er werde auf die silberne Hochzeit mit der Frankfurterin auch noch