524 DIE GESTÖRTEN SOMMERPLÄNE DES KAISERS
und sich darüber gefreut hat, kann ich nicht sagen. Das Hotel „Zum König
von Portugal‘ verdankte übrigens seine Entstehung der Gnade des Kur-
fürsten Friedrich III., des nachmaligen ersten Königs in Preußen. Der
bewilligte einer ehrsamen Berliner Witwe, einer Frau Hammerstein, ein
Baudarlehn von zweitausend Talern, für damalige Verhältnisse eine er-
kleckliche Summe. Weshalb diese Munifizenz? Frau Hammerstein war die
Witwe des langjährigen Geheimen Kammerdieners des großen Kurfürsten.
Der älteste Berliner Gasthof verdankt seine Entstehung einem schönen Akt
der Pietät gegenüber einem großen Fürsten. Das hat auch dem Hotel Glück
gebracht. In seinen Mauern hat Gotthold Ephraim Lessing gewohnt. Hier
spielt die Handlung der „Minna von Barnhelm‘“. Hier entstand auch eine
der reizendsten Novellen von Hauff: „Die Sängerin“. E. T. A. Hoffmann
zechte abwechselnd bei Lutter und Wegener und im „‚König von Portugal“.
Hier hat König Friedrich Wilhelm IV. oft vorgesprochen, sich sein Lieb-
lingsgericht, Sauerkraut mit Würstchen, eine echt Berliner Speise, vor-
setzen lassen und dazu eine „kühle Blonde“, ein Glas Weißbier. Die Sage
geht, daß Friedrich Wilhelm IV. einmal beim Verlassen des „Königs von
Portugal“ von einem respektlosen wütenden Bullen angegriffen worden
sei, vor dessen Stößen er sich nur durch schleunige Flucht gerettet habe.
Nahe der lärmenden Königsstraße, macht der „König von Portugal“ einen
sehr gemütlichen Eindruck. Über seiner Eingangstür steht die Inschrift:
„Freyhaus‘“. Rechts und links von der Tür steht: „Festsäle, Fein- und
Stadtküche““.
Dieses Idyll der Ruhe und Behaglichkeit, ein Idyll aus der Biedermeier-
zeit, hatte ich vor Augen, als ich als verabschiedeter Reichskanzler und
Ministerpräsident vor Wilhelm II. trat. Hätte ich mich nicht ohnehin in
gefaßter, ruhiger und sicherer Stimmung und Haltung befunden, so würde
der Anblick des dem „Grünen Hut‘ gegenüberliegenden „Königs von
Portugal“ mich kalmiert haben. Im Gegensatz zu mir war der Kaiser
nervös, unwirsch und kurz angebunden. Er habe an diesem Tage noch viele
Audienzen zu erteilen. Insbesondere müsse er den Vertretern der größeren
Bundesstaaten den Kanzlerwechsel erklären, den sie vorläufig noch nicht
zu begreifen schienen. Übrigens sei es unerhört, wie sehr seine Sommerpläne
durch die plötzlich ausgebrochene Krisis gestört würden. Er würde seine
Nordlandreise später antreten müssen als er dies ursprünglich in Aussicht
genommen hätte. Das wäre ihm sehr, aber sehr unangenehm! Das hätte er
erst vor einer Stunde an seinen Freund, den Erzherzog Franz Ferdinand
geschrieben, der das Glück habe, ein freier Mann zu sein. Der Kaiser entließ
mich mit den Worten: „Die Kaiserin möchte gern noch einmal bei Ihnen
essen. Sorgen Sie dafür, daß Ihr berühmter Koch alle seine Künste auf-
bietet.“