Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

Verlobung des 
Kronprinzen 
50 HEINRICH XVIII. REUSS SCHLÄGT CECILIE VOR 
Gewandtheit gute Beziehungen zu der Familie Cumberland angeknüpft 
hatte, war eifrig bestrebt, der von Ihrer Majestät gewünschten Verbindung 
die Wege zu ebnen. Seine Bemühungen scheiterten aber an der Vis inertiae 
des Herzogs Ernst August von Cumberland, der durch seinen passiven 
Widerstand Kaiser Wilhelm in so großen Zorn versetzte, daß er einmal an 
den Rand eines Eulenburgschen Briefes schrieb: „Ehe Ich den unver- 
schämten Welfen auf Braunschweigs Thron klettern lasse, möge er lieber 
verderben!“ Das hat Wilhelm II. nicht abgehalten, dem Sohn des „un- 
verschämten‘‘ Welfen später seine einzige, übrigens charmante Tochter 
und als Morgengabe Braunschweigs Thron zu gewähren. Die Kaiserin 
dachte in zweiter Linie an eine der beiden Töchter des Prinzen Albert von 
Sachsen-Altenburg und einer preußischen Prinzessin. Auf Wunsch Ihrer 
Majestät bat ich die jungen Damen zu Tisch. Sie sahen recht blaß aus, 
bei Tisch fühlte sich die eine unwohl. Ich hatte den Eindruck, daß sie für 
die aufreibende Stellung einer preußischen und deutschen Kronprinzessin 
zu zart wären. Sie haben übrigens beide später geheiratet, die eine einen 
Prinzen Reuß, die andere einen Grafen Pückler. 
Zu meinen ältesten und treusten persönlichen Freunden gehörte der 
Prinz Heinrich XVIII. Reuß. Es ist allgemein bekannt, daß alle Prinzen 
Reuß einem der größten deutschen Kaiser, dem Hohenstaufen -Kaiser 
Heinrich VI. zu Ehren den Vornamen Heinrich führen. Sie unterscheiden 
sich durch ihre Nummern, wobei die ältere Linie bis 100 zählt, die jüngere 
mit jedem Jahrhundert wieder mit I beginnt. Da sie sich im Familienkreise 
nicht mit ihren Nummern anreden lassen mochten, so führten sie kleine 
Beinamen: Der hochverdiente Botschafter in St. Petersburg, Konstanti- 
nopel und Wien Prinz Heinrich VII. Reuß wurde Septi genannt, einen 
anderen Reuß, der die Nummer IX trug, nannte man scherzweise Pio Nono, 
noch einen anderen Enrico, und so weiter. Das Fürstentum Reuß war der 
kleinste deutsche Bundesstaat. Als Friedrich der Große bei einer Reise 
durch seinen Staat einmal an der Grenze von einem Fürsten Reuß begrüßt 
wurde, redete er ihn mit den Worten an: „Voila deux souverains qui se 
rencontrent.‘ Prinz Heinrich XVIII. Reuß, der mit einer Prinzessin von 
Mecklenburg vermählt war, lenkte meine Aufmerksamkeit auf die Kusine 
seiner Frau, die Prinzessin Cecilie von Mecklenburg-Schwerin. Der Kaiserin 
war diese Verbindung von vornherein sympathisch. Sie stieß sich auch 
nicht an der exzentrischen Mutter der Prinzeß Cecilie, der Großherzogin 
Anastasia, einer Tochter des Großfürsten Michael Alexandrowitsch von 
Rußland. Als die Verlobung zustande kam, sagte mir die Frau Großherzogin 
Luise von Baden, die wie niemand sonst befähigt war, eine junge Fürstin 
zu beurteilen: „Sie werden mit ihr zufrieden sein und das Land auch. Die 
junge Prinzessin Cecilie hat mehr Welt und weitere Horizonte als die meisten
	        
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