DER VERKEHRT AUFGESETZTE DRAGONERHELM 75
gereizte Ausdruck des Kaisers und die verstörte Miene des Königs auf, der
gegen seine Gewohnheit bei Tisch mit der neben ihm sitzenden Kaiserin
kaum sprach. Sobald die Tafel aufgehoben war, verließ der König mit dem
Kaiser das Schloß, um zum Bahnhof zu fahren. Der König drückte mir im
Vorübergehen die Hand mit den leise, aber ernst und bestimmt gesprochenen
Worten: „L’empereur m’a dit des choses epouvantables. Je compte sur
votre bonne influence, sur votre sagesse et sur votre savoir-faire pour €viter
de grands malheurs.‘ Als der Kaiser vom Bahnhof zurückkehrte, frug mich,
sichtlich erschrocken, einer der Adjutanten, der ihn begleitet hatte: „Was
hat denn der Belgierkönig ? Es scheint einen Krach gegeben zu haben. Der
König sah ganz verbiestert aus. Der alte Herr war so sehr aus dem Häuschen,
daß er den Helm seines preußischen Dragonerregiments falsch aufgesetzt
hatte, mit dem Adler nach hinten anstatt nach vorn.‘ Der hinzutretende
Kaiser entführte mich der Gesellschaft, die er rasch und zerstreut entließ.
Als er mit mir in sein schönes Arbeitszimmer eingetreten war, in dem
die Bilder seines Vaters und seines Großvaters, des großen Fürsten Bis-
marck und des großen Meisters von Bayreuth, des Zaren und der Queen
Victoria friedlich nebeneinander an der Wand hingen, erfolgte ein sehr
temperamentvoller Ausbruch über die „Jämmerlichkeit“ seiner „Kollegen“.
Er habe dem Belgierkönig in denkbar gütigster Weise von seinen stolzen
Vorgängern, den Burgunderherzögen, gesprochen und hinzugefügt, wenn
der König wolle, könne er deren Reich wieder errichten und sein Zepter
über Französisch-Flandern, Artois und die Ardennen ausstrecken. Der
König habe ihn zunächst verständnislos „angeglotzt‘“ und schlieBlich „grin-
send‘ gemeint, daß von so hochfliegenden Plänen weder die belgischen
Minister noch die belgischen Kammern etwas wissen wollten. „Da verlor
ich die Geduld‘, fuhr der Kaiser fort, „ich sagte dem König, daß ich einen
Monarchen nicht achten könne, der sich Deputierten und Ministern verant-
wortlich fühle, anstatt allein unserem Herrgott im Himmel. Ich habe ihm
auch gesagt, daß ich nicht mit mir spaßen ließe. Wer im Falle eines euro-
päischen Krieges nicht für mich sei, der sei gegen mich. Als Soldat gehörte
ich der Schule Friedrichs des Großen an, der Schule Napoleons 1. Wie
jener den Siebenjährigen Krieg mit der Invasion von Sachsen begonnen
habe und dieser stets blitzschnell seinen Gegnern zuvorgekommen wäre, 80
würde ich, sofern Belgien nicht mit mir gehe, mich nur von strategischen
Erwägungen leiten lassen.“ Es entstand eine lange Pause. „Ich hoffte“,
meinte endlich der Kaiser sichtlich verstimmt, „bei Ihnen Verständnis und
Lob zu finden, allein leider scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Das ist
mir die herbste Enttäuschung an diesem Tag.“ Ich legte darauf in ruhiger,
möglichst präziser Form Seiner Majestät den Standpunkt politischer Ver-
nunft dar. Mein Streben wäre auf die Aufrechterhaltung des Friedens