Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

Bethmann 
und Loebell 
74 MISERABILITÄTEN 
schrift in aller Forın zurück. Das freute mich für den guten alten Pastor 
Engel. An und für sich hatte der Angriff mich völlig gleichgültig gelassen. 
Ich dachte mit Stendhal, nebenbei gesagt neben Michel Montaigne mein 
französischer Lieblingsschriftsteller: „La vue qu’on a des hauteurs de 
Rome est faite pour changer en douce me&lancolie la tristesse la plus 
colerique.“ 
Über die innerpolitische Lage der Dinge hatte mir Herr von Huhn anläß- 
lich dieses kleinen Zwischenfalls geschrieben: „Schöner ist es seit Eurer 
Durchlaucht Rücktritt in Deutschland nicht geworden, und man läßt sich 
hier in unerfreulichster Weise von den Ereignissen treiben, ohne zu wissen, 
wohin sie führen und was der schließliche Ausgang sein wird. Die Prophe- 
zeiung von dem nahen ‚Philippi‘ scheint mir leider der Erfüllung immer 
näher gerückt.“ Als Kuriosum meldete Herr von Huhn mir auch, daß auf 
Befehl Seiner Majestät im Auswärtigen Amt eifrige Nachforschungen nach 
den Briefen und Telegrammen veranstaltet worden wären, von denen der 
Kaiser behaupte, daß er in ihnen mir seinerzeit seine in Highcliffe geführten 
exzentrischen Unterredungen eingehend und ausführlich mitgeteilt habe. 
„Natürlich hat man nichts gefunden. Wo nichts ist, hat bekanntlich auch 
der Kaiser sein Recht verloren.“ 
Mein langjähriger treuer Mitarbeiter Loebell war kurz vor meinem 
Rücktritt auf meinen Antrag zum Oberpräsidenten von Brandenburg er- 
nannt worden, eine Stellung, für die er sich nicht nur als geborener Märker, 
sondern auch sonst in jeder Beziehung qualifizierte. Der treue Mann hatte 
sich aber für mich im Winter 1908/09 so abgerackert, daß er die Stellung 
nicht antreten konnte, sondern für längere Zeit in einem Sanatorium seiner 
Gesundheit leben mußte. Er hatte mehrfach meinen Nachfolger aufgesucht, 
um ihm in seiner loyalen Weise zu sagen, daß es eine Ehrenpflicht für ihn 
sei, nicht nur beim Kaiser, sondern auch öffentlich der gegen mich in Szene 
gesetzten Verleumdungskampagne entgegenzutreten. Er hatte ihm gesagt, 
daß er seine eigene Stellung durch Eintreten für seinen Vorgänger nur ver- 
bessern könne, aber bei dem schwachen und, wie dies bei schwachen Cha- 
rakteren leider nur zu häufig der Fall ist, nicht ganz aufrichtigen Beth- 
mann kein Verständnis gefunden. 
Ich tröstete mich gegenüber solchen Miserabilitäten mit dem schönen 
Wort von Goethe, es sei einem Talent wie August von Platen gar nicht zu 
verzeihen, daß er in der großen Umgebung von Rom die Erbärmlich- 
keiten der deutschen Literaten nicht vergessen könne. Ohne mich mit 
einem großen Dichter wie Platen vergleichen zu wollen, war ich doch 
der Ansicht, daß auch ich in Rom Besseres zu tun hätte, als mich über 
die Erbärmlichkeiten zu ärgern, die die Politik nun einmal mit sich 
bringt. Und ich befleißigte mich, das Goethesche Ideal der genießenden
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.