EIN DEUTSCHER NARR 175
Lebensruhe und vereinfachten Lebensfreudigkeit, soweit es mir möglich
war, zu realisieren.
Unterstützt von dem trefflichen römischen Korrespondenten der „Köl-
nischen Zeitung“, Friedrich Noack, beschäftigte ich mich mit Vergan-
genheit und Geschichte der Villa Malta. Wir entdeckten, daß zu ihren
Bewohnern auch der Berner Karl Viktor von Bonstetten gehört hatte,
der sich als Landvogt zu Saanen und in Nyon, als Oberrichter von
Lugano und als Mitglied des Großen Rats in Bern um seine Vaterstadt
wohlverdient gemacht hatte. Er war ein Schüler von Voltaire und von
J. J. Rousscau, ein Freund von Matthisson und Johannes von Müller, von
Salis und Friederike Brun, ein geistvoller Schriftsteller und eleganter
Stilist, der die deutsche wie die französische Sprache gleichmäßig be-
herrschte und in beiden Idiomen der gebildeten Welt seine eklektische
Philosophie predigte. In dem interessanten Aufsatz, den er Bonstetten ge-
widmet hat, beschreibt Sainte-Beuve „‚das magnifike Panorama“, das jener
von der Höhe der Villa Malta genossen habe: ‚‚De ce poste @lev& il porta
son investigation sur toutes les regions de la cite, sur tous les cantons de
l’Agro romano, cette ceinture lugubre et splendide qui l’entoure.“ Hier habe
der Berner sein Hauptwerk verfaßt: ‚‚Le voyage dans le Latium“, hier auch
die Bekanntschaft eines großen Künstlers gemacht, des Dänen Thor-
waldsen. Der bewohnte schon damals in der Via Sistina das Haus, an dem
heute eine Marmortafel an ihn erinnert und das der Gartenterrasse der
Villa Malta gerade gegenüber liegt. Wenn Ludwig von Bayern auf dieser
Terrasse stand, so konnte er dem von ihm hochgeschätzten Bildhauer in
sein Atelier schen, das zu ebener Erde lag. Eines schönen Morgens betrat
es der König, einen Orden in der Hand, den er dem Künstler an die Brust
heftete mit den Worten: „Ich dekoriere den Soldaten auf seinem Schlacht-
felde.“‘ Den ersten Lorbeer hatte Thorwaldsen 1802 in der Villa Malta aus
der Hand von Friderike Brun empfangen. Als ich beim Einzug in die Villa
Malta meinen alten römischen Haushofmeister, Adolfo Libianchi, {rug,
wer in dem Hause gegenüber der Gartenterrasse den ersten Stock bewohne,
meinte er mit einer gewissen Feierlichkeit: „Qui sta l’avvocato che fa i
santi nel Vaticano.‘“ Er wollte damit sagen, daß dort der päpstliche Funk-
tionär wohne, der bei Kanonisationsprozessen für die Heiligsprechung
gegen den Advocatus Diaboli plädiere. Als ich weiter frug, wer im zweiten
Stock des Hauses wohne, meinte mein Maestro di Casa: „Lä sta un pazzo
tedesco.“ Es stellte sich heraus, daß dieser närrische Deutsche mein alter
Schulkamerad Honig vom Pädagogium zu Halle an der Saale war, der den-
sclben Vornamen wie ich trug.
Bernhard Honig führte wegen seines sanften und bescheidenen Wesens
und seiner etwas zaghaften Gangart auf dem „Pädchen“ den Beinamen