Bethmanns
Besuch
in Rom
82 DER LORBEER UND DIE ROSE
Belgiens gerichteten Pläne der französischen Regierung enthüllte. Vier
Jahrzehnte später ging es leider umgekehrt. Die täppische Ungeschicklich-
keit unserer damaligen Regierung ermöglichte es unseren Feinden, die
öffentliche Meinung der ganzen Welt gegen unser redliches und fried-
liebendes Volk einzunehmen und aufzubringen. Ich betone ausdrücklich:
Die Dummheit, nicht die Bosheit! Die Leiter der deutschen Politik im
Sommer 1914, das kann nicht oft genug wiederholt werden, waren keine
wüsten Raufbolde, keine tückischen Brandstifter. Sie waren Stümper.
Zu meinem ersten Geburtstag im Ruhestand, zum 3. Mai 1910, schrieb
mir mein Nachfolger: „Der kommende dritte Mai weckt in mir so viele Er-
innerungen an menschliche und amtliche Beziehungen, die mich an Eure
Durchlaucht knüpfen, daß ich in herzlicher Empfindung dankbarer Ver-
ehrung meinen besten Wünschen für Ihr neues Lebensjahr Ausdruck gebe.
Im Spiegel des römischen Makrokosmos wird Eurer Durchlaucht auch an
diesem Tage die Fülle und der Reichtum des eigenen Lebens und des
eigenen Schaffens neu aufgehen, ernst und groß und doch ruhig und heiter—
ebenso wie in der Villa Malta neben dem Lorbeer die Rose blüht. Meine Er-
innerungen an die Stunden, die ich mit Ihnen zu Ostern verleben durfte,
sind zu feste, als daß sie durch das politische Gezänk, das mir die letzten
Wochen ausfüllte, hätten verwischt werden können.“ Die poetische
Wendung von dem Lorbeer, der mir neben der Rose blühe, konnte in
meinen Augen nicht ganz die peinliche Empfindung verwischen, die das
mindestens schwächliche Verhalten meines Nachfolgers bei der Neu-
besetzung des Brüsseler Postens in mir erweckt hatte. Ich möchte
übrigens ausdrücklich betonen, daß ich getan habe, was ich konnte,
um Herrn von Bethmann während des Besuches, den er Ende März 1910
in Rom abstattete, einen freundlichen Empfang zu bereiten. Ich gab ihm
in der Villa Malta ein großes Diner mit prominenten Italienern und
rühmte dem Minister des Äußern, dem Marchese San Giuliano, die
guten Absichten und guten Eigenschaften meines Nachfolgers. Leider ohne
großen Erfolg. Der kluge, penetrante San Giuliano fand Bethmann „naif
et ennuyeux“. Mit denselben zwei Prädikaten: „naif‘“ und „ennuyeux“
wurde der Arme zwei Jahre später in St. Petersburg charakterisiert, als er
dort im Juli 1912 seinen Antrittsbesuch machte.
Bethmann hatte Flotow nach Rom mitgebracht und erschien mit ihm
in unserem Hause. Flotow suchte sein unschönes Verhalten wiedergut-
zumachen. Nachdem er in Rom vergeblich versucht hatte, mit mir zu
einer Aussprache zu kommen, schrieb er mir zu meinem Geburtstag aus
Brüssel:
„Hochverehrter Fürst! Eurer Durchlaucht treibt es mich zum Geburts-
tage meine respektvollsten und gehorsamsten Glückwünsche auszusprechen.